Schafe mit Menschenorganen, Menschen-Embryonen mit Kuh-DNA: Was noch vor nicht allzu langer Zeit höchstens Stoff für gruselige Science-Fiction war, ist heute längst Realität. Doch in der Literatur gibt es noch eine weitere Chimärenvariante, die unter anderem Buchautor Michael Crichton zu seinem Roman „Congo“ verarbeitete: das Tier mit dem menschlichem Verstand. In Crichtons Roman sind es Gorillas, die von Angehörigen einer alten Hochkultur möglicherweise mit Menschen gekreuzt worden sind und daher deutlich intelligenter sind als ihre „normalen“ Artgenossen.
Eine Meerkatze der besonderen Art…
Im realen Leben sind Wissenschaftler noch nicht ganz so weit. Allerdings existieren durchaus schon einige Vorstufen: Tiere mit unterschiedlich hohen Anteilen menschlicher Zellen im Gehirn. Eines davon ist der Affe XO47, eine Grüne Meerkatze, die in einem biomedizinischen Labor auf der Karibikinsel St. Kitts lebt. Das knapp 90 Zentimeter große Tier ist hier nur eines unter vielen, in den zahlreichen Freigehegen tollen ganze Horden seiner Artgenossen herum und auch viele wilde Meerkatzen leben noch auf St. Kitts. Doch in einer Beziehung unterscheidet sich XO47 deutlich von ihnen: Die menschlichen Zellen im Gehirn machen ihn zu einer Chimäre.
Verabreicht hat sie ihm Eugene Redmond, Professor für Psychiatrie und Neurochirurgie an der Yale Universität und Leiter des biomedizinischen Zentrums auf St. Kitts. Er injizierte dem Affen menschliche neuronale Stammzellen in die Substantia nigra, eine Region im Mittelhirn, in der der Botenstoff Dopamin produziert wird. Dieser spielt eine entscheidende Rolle bei der Parkinson-Krankheit: Im Gehirn der Patienten gehen die Dopamin-produzierenden Zellen sukzessive zugrunde und lösen damit die schweren Hirnfunktions- und Bewegungsstörungen aus.
Menschliche Dopaminzellen im Affenhirn
Und genau dies will Redmond durch die Injektion von Stammzellen an die betroffene Stelle rückgängig machen. „Wir haben bereits festgestellt, dass sich ein Teil von ihnen zu Dopamin-produzierenden Zellen entwickelt“, erklärt Redmond in einem Interview mit Tom Bearden vom amerikanischen Sender PBS. „Sie normalisieren auch einige der Abnormalitäten, die bei Parkinson im Gehirn auftreten.“
Mit der Tatsache, dass sich menschliche Zellen im Gehirn eines Tieres entwickeln, hat der Forscher keinerlei Probleme: „Rein technisch gesehen sind es Chimären, da dies jede Art von Zellmischung verschiedener Arten umfasst“, so Redmond. „Aber das, was wir tun, wird schon seit Jahren gemacht. Außerdem geben wir vielleicht acht bis zehn Millionen Zellen in ein Gehirn, das insgesamt 20 bis 40 Milliarden Zellen enthält. Das ist eine extrem kleine Menge. Das wird einen Affen nicht zu einem vermenschlichten Affen machen.“
Gängiges Verfahren
Tatsächlich ist die Injektion menschlicher Stammzellen in die Gehirne erwachsener Tiere in der medizinischen Forschung heute ein durchaus gängiges Verfahren, beispielsweise um die Entstehung von Krebs zu erforschen oder aber erste Vorstufen von Stammzelltherapien im Tierversuch zu testen. Da das Gehirn der Versuchstiere dabei schon ausgereift ist, sind hier keine strukturellen oder grundsätzlichen funktionellen Veränderungen zu befürchten.
Anders sieht dies bei Experimenten aus, in denen die Übertragung menschlicher Zellen in weitaus früheren Stadien, beispielsweise während der Embryonalentwicklung, erfolgt. Denn dann könnten die injizierten Zellen weitaus unkontrollierter und in größerem Maße in das Nervensystem eingebaut werden…
Nadja Podbregar
Stand: 18.06.2010