Nicht nur in der Entwicklung von lernfähigen Elektronengehirnen besinnen sich die Roboterforscher zunehmend auf das Vorbild der Natur. Auch in den Bewegungsformen und der äußeren Struktur ist die Biomimetik, wie das Kopieren von Ideen aus der Natur in der Fachsprache genannt wird, stark im Kommen. Besonders die Wissenschaftler am NASA Ames Forschungszentrum tüfteln an neuen Wegen, einen Roboter möglichst effektiv auch durch unwegsames Gelände zu steuern.
Dabei zeigt sich immer wieder, dass die natürlichen Fortbewegungsarten dem klassischen Roboter auf Rädern überlegen sind. Allerdings ist schon das für uns scheinbar so mühelose Laufen für Roboter ein Riesenproblem. Unbewußt registriert unser Gehirn bei jedem Schritt in Sekundenschnelle die Bodenstruktur, mögliche Hindernissse und eine Vielzahl anderer Faktoren und passt die Bewegung daran an. Roboter können dies jedoch (noch) nicht. Die meisten der heutigen Laufroboter bewegen sich daher noch in der typisch ruckartigen mechanischen Weise fort und lassen sich von kleinsten Bodenerhebungen aus dem Gleichgewicht bringen. Die Roboterforscher suchen daher jetzt verstärkt nach neuen Vorbildern und Bewegungsformen aus dem Tierreich. Eines davon ist das Fliegen der Insekten.
Robert Michelson und sein Team von der Universität Cambridge in England arbeiten am „Entomopter“ einem „mechanischen Insekt“, das sowohl fliegen als auch krabbeln kann. Für diesen Flugroboter verwenden die Forscher eine Neuentwicklung, die auf einem natürlichen Vorbild beruht: Die Flügel und Beine des künstlichen Fluginsekts werden nicht von Metallverbindungen und Elektromotoren, sondern von künstlichen Muskeln bewegt. Diese sogenannten „Reciprocating Chemical Muscles“ (RCM) wandeln, ähnlich wie unsere Muskeln auch, chemische Energie in Bewegung um. Dieses Prinzip ist so effektiv, das bei der Flügelbewegung des künstlichen Insekts sogar noch zusätzliche elektrische Energie produziert wird. Noch knobeln die Entwickler des Entomopters an der optimalen Bauweise der Flügel, aber ist der fliegende Miniroboter erst einmal fertig, könnte er fast überall eingesetzt werden.
Ein anderes natürliches Vorbild hat sich Gavin Miller im kalifornischen Palo Alto gesucht. Er hat Roboterschlangen gebaut, die nicht nur lebensecht aussehen, sondern die typische gleitende Bewegungsweise der Schuppentiere perfekt nachahmen. Warum ausgerechnet Schlangen? Anregung dafür war die Beobachtung, dass diese mit ihrem Schlängeln auch in schwierigem Gelände wie tiefem Sand oder Geröllfeldern schnell und ohne größere Schwierigkeiten vorankommen.
Während bisherige Roboterschlangen sich eher raupenartig fortbewegten, ist es Miller als erstem gelungen, das seitliche Gleiten von Natter, Kobra und Co. umzusetzen. Die 30 Segmente seiner „Rollersnake“ tragen zu beiden Seiten jeweils ein paar Elektromotoren und sind in der Mitte über eine „Wirbelsäule“ verbunden. Um die Reibung mit dem Untergrund zu verringern, laufen alle Teile auf Gleitrollen. Wenn die Motoren, vom Kopf der Schlange angefangen, nacheinander in Aktion treten, krümmen sich die Segmente gegeneinander. „Der seitliche Druck auf die Räder treibt die Schlange vorwärts.“, erklärt Gavin Miller das Funktionsprinzip. Die Geschwindigkeit und Eleganz, die die Rollersnake auf diese Weise erreicht, beeindruckt selbst die Experten der NASA: „Dies ist bei weitem die realistischste und fortgeschrittenste Roboterschlange, die ich je gesehen habe.“, kommentiert Gary Haith, Robotikingenieur am Ames Forschungszentrum, die Vorführung der Rollersnake.
Miller, der ursprünglich Animationen für Kinofilme entwickelte, plant als nächstes, eine Schlange zu bauen, die auch auf Bäume klettern kann…
Stand: 21.10.2001