Blühende Landschaften: Wir müssen keine Bäume mehr fällen, glückliche Hühner legen größere Eier dank Algenkraftfutter, Autos und elektrische Geräte laufen mit photobiologischem Wasserstoff. Und der Treibhauseffekt reduziert sich ganz automatisch, weil die Algen Kohlendioxid binden.
Von diesem Luftschloss sind und bleiben wir weit entfernt. Aber nach und nach verbreitet sich das Bewusstsein, dass Algen wirklich mehr können als im Wasser zu dümpeln und Photosynthese zu betreiben. Das unausgeschöpfte Potenzial ist offensichtlich. Ob in der Nahrungsmittelproduktion, in der pharmazeutischen Industrie oder als vielseitiger Rohstoff für zahlreiche andere Produkte – erforscht ist noch längst nicht alles.
Deutschland als Vorreiter in Sachen Blauer Biotechnologie?
In den letzten Jahren ist die Mikroalgen-Biotechnologie weltweit zunehmend in den Mittelpunkt des wirtschaftlichen Interesses gerückt. Die Phykokolloide wie Alginate, Agar und Carrageen verlieren dabei allerdings zusehends an Bedeutung, zumal sich damit in Europa kein Geld verdienen lässt. Die Makroalgen wachsen in unseren Breiten nur langsam und verursachen zu hohe Produktionskosten. Dennoch gibt es inzwischen sogar eine kommerzielle Makroalgenfarm in der Ostsee. Der Betreiber setzt auf Klasse statt Masse, Veredelung der Algen zu Kosmetikprodukten ist hier angesagt. Aber auch durch die wachsende Nachfrage nach ökologischen Produkten, lokal produziert statt ressourcenverschwendend importiert, soll sich die teure Algenfarm auszahlen.
Die vielversprechendere Blaue Biotechnologie steckt hierzulande bislang noch in den Kinderschuhen. Eine handvoll Firmen mit Photobioreaktoren für die industrielle Mikroalgenproduktion gibt es bereits und Europa hat sich mit diesen Anlagen tatsächlich weltweit auf den ersten Platz vor Japan und den USA geschoben. Die Produktpalette der Algenbändiger lässt jedoch noch zu wünschen übrig. Entscheidend für die wirtschaftliche Verwertung ist die kostengünstige Massenproduktion. Die Bioreaktoren sind feinstes Hightech und deshalb noch zu kostspielig in Investition und Unterhalt, als dass man mit den darin produzierten kleinen Kraftprotzen bereits das große Geld machen könnte.
Ein Allheilmittel sind Algen nicht und auch zu leidenschaftlichen Algengourmets werden wir bestimmt nicht über Nacht (wenn überhaupt). Es ist noch ein langer Weg, bis sich die industrielle Nutzung der Algen wirklich lohnt und gegen die Konkurrenz durchsetzt. Aber vor 20 Jahren hielten viele es auch für utopisch, dass einmal fast jeder einen Computer zu Hause stehen haben könnte und wir durch ein weltumspannendes Netzwerk namens Internet im Handumdrehen an so gut wie alle Informationen kommen…
Stand: 06.11.2002