Juli 1969, Florida: Zwei Mannschaften, eine aus drei Männern, die andere aus sechs bestehend, trainieren seit Monaten hart für ihre Aufgaben, jetzt sind sie kurz vor dem Ziel: dem Start ihrer Missionen. Zwei völlig neuartige Schiffe werden von Technikern ein letztes Mal kontrolliert, letzte Tests laufen. Beide wurden von der gleichen Firma im Auftrag der NASA und der Regierung gebaut, der Grumman Corporation. Das eine Schiff ist die Apollo-Raumkapsel auf ihrer Trägerrakete Saturn 5, die andere aber ist ein neuartiges Unterseeboot, die Ben Franklin. Wie die Mondfähre ist auch die Ben Franklin dafür ausgelegt, extremen Bedingungen zu widerstehen.
Unterseezigarre für mittlere Tiefen
Die Pläne für das „Mesoscaphe“ stammen von keinem Unbekannten: Jacques Piccard selbst, Pilot der berühmten Trieste und erfahren im Umgang mit Unterseebooten, hat das Forschungstauchboot konzipiert. Für die PX-15-Missionentwirft er jedoch nicht ein spezielles Tiefseetauchboot, sondern ein „Mesoscaphe“:
Die „Ben Franklin“ soll vor allem dem Druck in mittleren Meerestiefen, rund 600 Meter unter der Oberfläche widerstehen. Bis maximal 1.200 Meter Tiefe, so die Berechnungen der Ingenieure, soll die Hülle dem Wasserdruck standhalten. Gerade einmal dreieinhalb Zentimeter dick ist die Stahlhaut (1 3/8″), die das Schiff umgibt. Das gesamte zigarrenförmige Gefährt ist gut 15 Meter lang und drei Meter dick. Angetrieben wird es nur von vier 25 PS schwachen elektrischen Motoren, weniger als Antrieb denn als Manövrierhilfe gedacht, da das Schiff ja vorwiegend passiv mit der Strömung mitschwimmen soll.
Lecks in der Elektronik…
Während Apollo 11 im Zeitplan bleibt, gibt es bei PX-15 einige Probleme. Ursprünglich war der Start schon für Ende Mai geplant, so dass die Drift im Juni, vor dem Beginn der Mondmission, beendet sein kann. Doch während erster Test-Tauchgänge gibt es Probleme mit der Elektronik, der Strom scheint irgendwo zu versickern, statt die Geräte zu erreichen. Zwischen den riesigen Akkuzellen, die unter dem Rumpf befestigt sind, und dem Inneren des Schiffs muss es undichte Stellen in der Neopren-Isolation der Kupferkabel geben. Immer und immer wieder muss die Crew testtauchen, um mühsam die winzigen Löcher in der Isolation dingfest zu machen. Doch gefunden werden müssen sie, denn alle Systeme der Franklin, darunter auch der Antrieb, hängen von diesem Strom ab.
…und Tücken des Ballasts
Weitere Testläufe sind nötig, um die Mannschaft mit den Feinheiten des Schiffs und vor allem der Handhabung der Ballasttanks und der Trimmung vertraut zu machen. Denn während ihrer Drift müssen die U-Bootfahrer ihren Auftrieb kontinuierlich an die sich verändernden Bedingungen des Stromes anpassen. Thermische Ausdehnung oder Schrumpfung der Hülle, Druck und Verdrängung verändern sich mit Salzgehalt und Temperatur des Meerwassers und müssen ständig überprüft werden.
Auf einem der ersten Testläufe peilt Piccard die 1.000 Fuß-Marke (rund 305 Meter) an. Die zuvor berechnete Menge Meerwasser wird in die Ballasttanks eingelassen und die Franklin beginnt brav zu sinken: 100 Meter, 200 Meter, 300 Meter – und weiter in die Tiefe. Anstatt auf der Zieltiefe anzuhalten und mit neutralem Auftrieb zu schweben, sinkt das Schiff bis auf 550 Meter, bevor Piccard den Versuch abricht und auftauchen lässt. Was war schief gelaufen?
Schnell stellt sich der Grund heraus: Es ist die Hülle der Franklin. Das Wasser an der Meeresoberfläche hat eine Temperatur von rund 30°C, in 305 Metern Tiefe sind es nur noch gut 12°C. Das Abtauchen erfolgte so schnell, dass sich die Hülle erst mit Verzögerung an die Außentemperatur anpasste und sich zusammenzog. Dieses Schrumpfen hält auch über die 100-Fuß-Marke hinweg an und lässt das U-Boot einfach weiter sinken, weil der Auftrieb weiter abnimmt. Als Konsequenz wird ein weiterer Faktor, die Abkühlzeit der Hülle, in die Berechnungen für die Auftriebssteuerung aufgenommen. Der Preis für diese Erkenntnisse ist jedoch ein um mehr als einen Monat verzögerter Start. Mittlerweile ist es Anfang Juli…
Nadja Podbregar
Stand: 24.07.2009