Technik

Mit der „Lego-Doktrin“ zum Wundermaterial

Andre Geim und die Entdeckung des Graphens

Umso überraschender war die Entdeckung, die die Physiker Andre Geim und Kostya Novoselov von der University of Manchester im Jahr 2004 im Magazin „Science“ veröffentlichten: Sie hatten nicht nur erfolgreich einzelne Schichten von Graphen isoliert, sondern diese auch bereits ersten Tests unterzogen und deren herausragende elektrische und mechanische Eigenschaften beschrieben.

Ihre ersten Versuche waren allerdings wenig erfolgreich: Ein Student in Geims Labor erhielt zunächst den Auftrag, einen Graphitblock so dünn wie möglich zu schleifen und zu polieren – weniger als 1.000 Schichten ließen sich auf diesem Weg jedoch nicht erreichen.

Graphit, Klebeband und ein erster Graphentransistor: Andre Geim und Konstantin Novoselov übergaben dem Nobelmuseum ihre überraschend simplen Werkzeuge und erste Ergebnisse. © Gabriel Hildebrand, Nobelmuseet / gemeinfrei

Die Methode, mit der Geim und seine Kollegen schließlich Erfolg hatten, ist so simpel wie genial: Mit einem einfachen Klebestreifen zogen sie kleine Flöckchen vom Graphit ab. Diese Graphitflocken teilten sie wieder und wieder mit weiteren Klebestreifen. Schließlich lösten sie das Klebeband in Iso-Propanol auf und fischten das nun darin schwimmende Graphit mit einem Silizium-Träger heraus. Die Analyse zeigte: Unter den nur wenige Atom-Lagen messenden Flöckchen befanden sich auch Bereiche, die tatsächlich nur aus einer einzigen Schicht bestanden.

Schwebende Frösche und Geckofüße

Geim ist bereits bekannt für ungewöhnliche, aber kreative wissenschaftliche Ansätze: Im Jahr 1997 brachte er mit starken Magnetfeldern einen Frosch dazu, über dem Magneten zu schweben. Für diese magnetische Levitation erhielt er im Jahr 2000 den Ig-Nobelpreis. Dieser wird jährlich für Forschungsarbeiten verliehen, „die erst zum Lachen, dann zum Nachdenken anregen“.

Das grundlegende Prinzip seiner Arbeit bezeichnet Geim als „Lego-Doktrin“: Er arbeitet mit dem, was er im Labor vorfindet. Dabei wendet er sich regelmäßig neuen Forschungszweigen zu, seine Interessen scheinen so vielseitig wie die Modifikationen des Kohlenstoffs. Nach schwebenden Fröschen und Graphen arbeitete Geim eine Zeitlang am „Gecko-Tape“: Dieses Klebeband haftet mit dem gleichen Prinzip, nach dem die Füße des Geckos funktionieren, hinterlässt aber keinerlei Spuren. Erste Demonstrationen führten die Forscher passenderweise mit einer an der Decke klebenden Figur des Comic-Helden Spiderman durch.

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Novoselov forscht noch immer am Graphen, und der Erfolg des Wundermaterials hält weiterhin an: 2010 erhielten Geim und Novoselov den echten Nobelpreis für Physik, „für grundlegende Experimente mit dem zweidimensionalen Material Graphen“. Geim ist damit bis jetzt der einzige Wissenschaftler, der sowohl einen Nobel- als auch einen Ig-Nobelpreis trägt.

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Ansgar Kretschmer
Stand: 16.05.2014

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Graphen
Wundermaterial in zwei Dimensionen

Vom Graphit zum Graphen
Der zweidimensionale Kohlenstoff-Kristall

Mit der "Lego-Doktrin" zum Wundermaterial
Andre Geim und die Entdeckung des Graphens

Jenseits von Silizium?
Graphen und seine verblüffenden elektronischen Eigenschaften

Nie wieder Risse im Smartphone-Display
Härter als Stahl und trotzdem biegsam

Mit Klebeband und Küchenmixer
Wie sich Graphen herstellen lässt

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