Geologie/physische Geographie

Mit Fernsteuerung durch den Untergrund

Microtunneling schickt Bagger in Rente

Eine fiktive Kleinstadt im Oktober 2003. Im Rathaus raufen sich Kämmerer, Umweltbeauftragte, Ingenieure und Techniker die Haare. In der alten Universitätsstadt mit dem historischen Kern aus uralten Kirchen, Fachwerkhäusern und Kopfsteinpflasterstraßen ist eine der wichtigsten Kanalisationsröhren defekt.

Vor ihrem geistigen Auge sehen die Planer bereits Bagger anrollen, die die Straßen aufbrechen, um den Schaden zu beseitigen. Mit Grausen denken sie an das gewaltige Verkehrschaos, das diese Baustelle verursachen wird. Ganz zu Schweigen von den Geruchs- und Lärmbelästigungen für die Einwohner und die zahlreichen Touristen, die zu Tausenden Tag für Tag die Innenstadt bevölkern.

Welche Auswirkungen hat die Bautätigkeit auf die Vegetation in der betroffenen Region, muss man vielleicht sogar aufgrund von Bodensenkungen und -setzungen um den Erhalt der historischen Gebäude und das bei den Gästen so beliebte historische Stadtbild fürchten? Dies sind weitere Fragen, mit denen sich die Fachleute herumschlagen.

Oben wird gekauft, unten wird gebohrt…

Es muss doch eine Möglichkeit geben, den Schaden zu beseitigen, ohne gleich die ganze Stadt ins Chaos zu stürzen?! Microtunneling lautet schließlich das Zauberwort, das für viele der genannten Probleme eine relativ einfache und schnelle Lösung bietet. Kleine, ferngesteuerte „Wühlmäuse“ kommen dabei zum Einsatz, um die Abwasserleitung grabenlos zu reparieren.

Von einem Einstiegsschacht aus arbeiten sie sich lasergesteuert mithilfe eines Bohrkopfes durch den Untergrund und verlegen dabei die Rohre gleich mit. Der anfallende Abraum wird mithilfe von Wasser weggespült oder trocken per Förderschnecke beseitigt.

Die so entstehenden Rohrleitungen haben heute einen Außendurchmesser von bis zu 1.850 Millimetern und können bis zu 250 Meter weit unter den Verkehrsadern und Häusern der Stadt zum Zielschacht getrieben werden. Von Hand an den neuen Kanal angeschlossen werden müssen dann nur noch die einzelnen Haushalte.

Je nach Art des Untergrunds und der Grundwassersituation kommen verschiedene Methoden und Maschinen zum Einsatz. Sie alle haben eines gemeinsam: Während unten gebohrt, verlegt und abtransportiert wird, gehen oben der Verkehr und das Geschäftsleben ungestört weiter.

Pipe-Eating

Einer der Vorreiter in Sachen Microtunneling waren die Berliner Wasserbetriebe (BWB). Schon Mitte der 1990er Jahre wurde auf diese Weise in der Hauptstadt rund die Hälfte aller Kanäle jährlich grabenlos unter der Erdoberfläche verlegt.

Die BWB haben dabei auch ein Verfahren entwickelt, mit dem bereits vorhandene Abwasserleitungen problemlos ersetzt werden können. Bei diesem so genannten Pipe-Eating werden die Rohre des alten Kanals von einer Tunnelbohrmaschine vollständig abgefräst und durch neue ersetzt. Für den Vortrieb des Bohrers sorgt ein Hydrauliksystem, das in kontinuierlicher Folge die neuen Kanalsegmente nachschiebt bis das Ende der Ausbaustrecke erreicht ist.

Wie wirtschaftlich solche Microtunneling-Verfahren im Vergleich zur Arbeit mit dem Bagger sind, hängt außer von der Beschafffenheit des Untergrunds noch von einer Reihe anderer Faktoren ab. Dazu gehören die Tiefe der geplanten Trasse – je tiefer desto günstiger – und die Grundwasserverhältnisse.

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Stand: 20.10.2003

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