Selbstorganisierende Monitoring- und Informationssysteme wie SOSEWIN werden nach Einschätzung der GFZ-Forscher in Zukunft wahrscheinlich eine zunehmend wichtige Rolle in der Messwerterfassung und im Management von Ballungszentren übernehmen. Der Einsatz selbst-organisierender Sensornetze ist nicht auf seismologische Frühwarnung und das Katastrophenmanagement beschränkt, vielmehr ist ein weiter Bereich an mobilen oder fest installierten Anwendungen denkbar, die das Management von Ballungszentren und Megacities erleichtern können.
So sollen zukünftig Einzelsensoren auch von privaten Haushalten und Betrieben erworben werden, damit sich diese an der Frühwarnung direkt beteiligen können. Flächendeckend könnten damit tausende Sensoren verteilt werden, um im Erdbebenfall in möglichst jedem Haus, jeder Etage oder sogar jeder Wohnung die Boden- und Gebäudebewegung zu erfassen. Die vielen Daten erlauben die Darstellung der Bodenerschütterungen in detaillierten Karten und ermöglichen dem Katastrophenmanagement eine schnelle und realistische Einschätzung der Schadensverteilung.
Einsatz auch an Bosporus-Brücken
Neben dem Einsatz in Wohngebieten ist geplant, SOSEWIN auch zur Überwachung kritischer Infrastruktur, wie zum Beispiel die den Bosporus überspannenden Brücken, einzusetzen. Zu Testzwecken haben Wissenschaftler deshalb bereits Messungen an der nördlich gelegenen Fatih Sultan Mehmet-Brücke durchgeführt, um dynamische Eigenschaften wie das charakteristische Schwingungsverhalten der Brücke zu bestimmen. Parallel zu den seismischen Messungen registerten die Sensoren auch kontinuierlich die auf die Struktur wirkende Windlast.
Das Monitoring erlaubt somit eine permanente Kontrolle der dynamischen Parameter, so dass nach einer Erdbebenbelastung die ermittelten Daten mit denen verglichen werden können, die vor und während des Bebens aufgezeichnet worden sind, um den Gebäudezustand nach einem Beben richtig
einzuschätzen und bei starken Abweichungen gegebenenfalls eine Sperrung zu veranlassen.
Birger-Gottfried Lühr, Claus Milkereit, Stefano Parolai, Matteo Picozzi, Heiko Woith, Angelo Strollo, Mustafa Erdik, Atilla Ansal, Jochen Zschau / GFZ-Potsdam
Stand: 03.06.2011