Die Max-Planck- Forscher haben in ihrem Projekt systematisch untersucht, welche kognitive Komplexität der gestischen Kommunikation von Raben und anderen Rabenvögeln zugrunde liegt. Eine erste Studie an einer Rabenpopulation im Cumberland-Wildpark in Grünau, Österreich, konzentrierte sich auf zwei spezifische Verhaltensweisen: das „Hochhalten“ und „Anbieten“. Über einen Zeitraum von zwei Jahren untersuchten die Biologen dafür das Ausdrucksverhalten individuell markierter Vögel außerhalb der Brutsaison.
Sie beobachteten, dass Raben ihre Schnäbel ähnlich einsetzen wie Menschen ihre Hände, um Objekte, die für sie keinen direkten Nutzen und/oder Wert haben, wie zum Beispiel Moose, kleine Steine und Zweige, hochzuhalten und einander anzubieten. Diese Verhaltensweisen qualifizieren nach Ansicht der Forscher als Gesten, weil sie zum einen an einen Empfänger gerichtet sind. Zum anderen sind sie für sich genommen mechanisch uneffektiv – d.h. sie fungieren als „kommunikative Anfrage“ an den Empfänger, der dann entscheiden kann, wie und ob er darauf reagiert.
Ähnlich wie Menschenaffen passten auch die Raben die Verwendung ihrer Gesten flexibel an den Aufmerksamkeitsstatus des Empfängers an: Sie offerierten die Gegenstände oder hielten die Gegenstände nur dann hoch, wenn ihr Gegenüber die Gesten auch sehen konnte. Die beiden Gesten wurden zudem vorwiegend an Individuen des anderen Geschlechts gerichtet.
Wie bei den Zeigegesten menschlicher Kleinkinder erzeugten auch die Rabengesten ein referenzielles Dreieck zwischen Sender, Empfänger und Gegenstand. Die Gesten führten dazu, dass sich die Empfänger des Signals zu den signalisierenden Individuen hin orientierten. Daraufhin interagierten die beiden Raben vorwiegend positiv miteinander, zum Beispiel durch Schnäbeln oder gemeinsames Bearbeiten des Objektes.
Aber welchen Zweck haben diese Gesten?
Simone Pika, Max-Planck-Institut für Ornithologie
Stand: 13.07.2012