Angeblich entdeckte Sir Isaac Newton die Schwerkraft durch einen Zufall. Ein Apfel, der ihm aus einem Baum auf den Kopf gefallen sei, soll ihn erst auf die entscheidende Idee gebracht haben. Wahrscheinlicher ist jedoch, daß Newton seine Entdeckung weniger dem Apfel, sondern vielmehr den Arbeiten von Johannes Keppler und Galileo Galilei zu verdanken hat, auf deren Erkenntnisse er seine Theorien stützte.
Der Zufall hatte aber doch seine Hand im Spiel. Und zwar bei Kepplers Entdeckungen bezüglich der Bewegung der Planeten, die der Menschheit die Existenz der Gravitation ein Stück näher brachten.
Johannes Keppler (1571-1630) widmete sein Leben der Erforschung des Universums. Besonders interessierte ihn, warum die Zahl, Größe und Bewegung der Planeten so sind, wie sie sind und nicht anders. Eine Idee sollte dabei sein ganzes Leben bestimmen: Keppler war der festen Überzeugung, dass die Planeten nach einem präzisen Plan des Schöpfers und nicht nach dem Zufallsprinzip verteilt seien. Besonders die (falsche) Tatsache, dass es genau sechs Planeten gab (die anderen waren zu dem Zeitpunkt noch nicht bekannt), formte in ihm die Idee, dass das Universum einem strengen geometrischen Plan folge.
Zur Beweisführung seiner zahlreichen Theorien verwendete Keppler weder langwierige Beobachtungen noch Experimente, sondern stützte sich auf eine geometrische Beweisführung. Schließlich hatte Gott seiner Meinung nach das Weltbild geometrisch erschaffen, so dass man mit wenigen Beobachtungsdaten und einigem Nachdenken über geometrische Beziehungen zu einem verlässlichen Bauplan des Universums kommen könne. Mit dieser Methode bewies er denn auch eine große Zahl von Theorien, die meisten davon waren allerdings falsch.
Von Selbstzweifeln gequält
In seinen Aufzeichnungen finden sich zahlreiche Notizen, die zeigen, wie sehr Keppler sich mit Selbstzweifeln quälte, sobald er wieder einmal eine seiner Theorien verwerfen musste oder nachträglich einen Fehler entdeckte. Einmal schrieb er sogar: „Wenn meine falschen Ziffern den Tatsachen nahe gekommen sind, dann geschah es aus reinem Zufall.“ Trotzdem war er nicht davon abzuhalten, weiter seine Idee des geometrischen Weltaufbaus zu verfolgen.
Unter anderem versuchte er 1596 zu beweisen, daß Gott die fünf platonischen Körper der Geometrie in den Schöpfungsplan eingebaut hatte und diese somit in den Kreis-Bahnen der sechs Planeten zu finden seien. Die Erde sollte demnach ein Dodekaeder umschreiben, der Mars ein Tetraeder, der Jupiter einen Würfel und so weiter. Mithilfe dieser ineinander geschachtelten geometrischen Körper wollte Keppler nun die Umlaufbahnen, die Bewegungen der Planeten zur Sonne und deren Größe zu errechnen. Dummerweise passten die Eckpunkte der geometrischen Körper nicht zu den Daten der relativen Entfernung der Planeten.
Keppler löste das Problem etwa 20 Jahre später, indem er vermutete, dass der Schlüssel für das Weltbild nicht die Geometrie, sondern die Musik sei. Mithilfe des Notensystems wollte er beweisen, dass die Planeten eine Harmonie ergeben, wenn man ihnen Noten zuweist. Auf diese Weise erhielt er verschiedene Tonleitern. Seine Theorien veröffentlichte er in seiner Harmonice mundi. Unter anderem auch die bekannten drei Gesetze, die auch heute noch Gültigkeit haben.
Diese drei Gesetze entstanden innerhalb einer Reihe von Beweisführungen, von denen sich die Mehrzahl als falsch herausstellte. Dreimal aber traf er ins Schwarze. So machte er beispielsweise bei der Berechnung, die zur Formulierung seines Zweiten Gesetzes (das er noch vor dem ersten fand) führte, einige Fehler. So nahm er unter anderem an, dass die Kraft sich proportional zur Geschwindigkeit verhält und dass die Bahn der Planeten kreisförmig verläuft.
Erstaunlicherweise hoben sich die Fehler teilweise untereinander wieder auf, teilweise korrigierte Keppler sie selber. Allerdings waren ihm diese drei Gesetze unwichtig. Obwohl er nur einen Katzensprung vor der Entdeckung der Gravitation stand, verkannte er das Potential seiner Entdeckungen. Dennoch war er mit seinem Lebenswerk zufrieden, hatte er doch seiner Meinung nach „bewiesen“, dass Gott das Universum tatsächlich nach musikalischen Gesichtspunkten aufgebaut hatte.
Stand: 30.05.2000