Evolution

Mysteriöses Hummelsterben

Nahrungsmangel als Ursache

Dunkle Erdhummel (Bombus terrestris) © M. Betley/ GNU FDL

Hummeln sind meist bis zu 25 Millimeter groß, brummen laut beim Fliegen und bilden Staaten mit mehreren hundert Einwohnern. Mehr als 250 verschiedene Arten gibt es heute weltweit, bei uns leben unter anderem Erdhummel, Sandhummel und Steinhummel. Diese und viele andere Daten und Fakten aus der Welt der Hummeln sind seit Jahrzehnten bekannt.

Mysteriös blieb dagegen lange Zeit ein ungewöhnliches Hummelsterben, das vor allem in der westfälischen Studentenmetropole Münster für Aufsehen sorgte. Seit den 1970er Jahren beobachteten dort besorgte Bürger im Juli häufiger große Mengen an toten Hummeln – vor allem unter den vielen dort angepflanzten Silberlinden. Diese Bäume stammen eigentlich aus Südosteuropa und haben aufgrund ihrer Resistenz gegen Feinstaub, Umweltverschmutzung und Trockenheit Einzug in die Innenstädte gehalten. So auch in Münster.

Doch warum waren gerade diese Silberlinden der Ort eines Massenexitus? Noch dazu, wo sie im Hochsommer in voller Blüte standen und anscheinend genug Nahrung für die emsigen Pollen- und Nektarsammler bereit hielten? Manche vermuteten, dass ein giftiger Nektar die Hummel getötet haben könnte. Andere gingen davon aus, dass sich die Tiere mit dem hohen Energiebedarf fürs Fliegen schlicht verkalkuliert und viel zu weit von ihrem Nest gelegene Nektarstationen angeflogen hatten. Dort waren sie dann völlig erschöpft verendet, bevor sie die greibar nahe Nahrung nutzen konnten. Eine Art Hummel-Blackout also, vielleicht sogar ein generelles Defizit der Art.

Hummeln geht der Saft aus

Hummel in Nahaufnahme © Mark Burnett/ GNU FDL

In der Folge nahmen sich Wissenschaftler des seltsamen Hummelphänomens an. Im Lindennektar fanden sie keineswegs – wie befürchtet – den Zucker Mannose, der auf Hummeln und Honigbienen toxisch wirkt. Auch ein natürliches Absterben der Tiere aufgrund von Überalterung schlossen die Insektenforscher schon in den 1990er Jahren aus. Schnell wurde damals auch klar, dass neben den Hummeln unter anderem Wildbienen, Schwebfliegen und Schmetterlinge ein ähnliches Schicksal erlitten.

Erst weitere Studien in den nächsten Jahren lieferten dann jedoch die Erklärung für das Massensterben: Die Hummeln waren tatsächlich schlicht und einfach verhungert. Bei ihren Analysen fanden die Münsteraner Insektenforscher kaum noch Energiereserven in den Körpern der verendeten Tiere.

Damit war aber noch nicht die Frage beantwortet, weshalb die „Insektenfriedhöfe“ ausschließlich unter Silber- und Krimlinden existierten. Ein weiteres Experiment gab schließlich Aufschluss. Die Wissenschaftler untersuchten dabei, wie viel Nektar die Arbeiterinnen eines bestimmten Hummelvolkes während der kritischen Phase Anfang/Mitte Juli von den Linden ins Nest transportierten. Zunächst reichte die Menge leicht aus, um alle Staatbewohner ausreichend zu versorgen. Aber schon wenige Tage später brach die Nektaranlieferung dramatisch ein – obwohl die Linde noch in voller Blüte stand.

Konkurrenz am Baum

„Aufgrund des sonstigen Nektarmangels bei anderen Pflanzenarten versuchten immer mehr Hummelvölker die Linde zu nutzen. Die Konkurrenz am Baum wurde so stark, dass die Tiere des markierten Volkes schließlich nach neun Tagen mit einem geringerem als dem Ausflugsgewicht ins Nest zurückkehrten. Die Nahrungsaufnahme verbrauchte mehr Energie, als sie brachte.“, fasst der NABU auf seiner Website die Ergebnisse der Forscher zusammen. „Nach elf Tagen waren 32 von 38 Arbeiterinnen des Hummelvolkes gestorben, nach zwölf Tagen waren alle im Nest verbliebenen Tiere einschließlich der Königin ebenfalls verhungert.“

Bombus terrestris © Joaquim Alves Gaspar/ GNU FDL

Verantwortlich für das alljährliche Massensterben ist demnach kein genetischer oder Verhaltensdefekt der Tiere, kein Irrtum der Evolution, sondern der Mensch. Denn in Münster und in vielen anderen Städten fehlen in den künstlich angelegten Grünanlagen und Parks im Hochsommer geeignete Blütenpflanzen für Nektar suchende Tiere wie Hummeln. Die Naturschützer und Wissenschaftler haben aber auch eine gute Nachricht parat: Die Hummelbestände sind trotz der leeren Speisekarte noch nicht vom Aussterben bedroht. Mit gezielten Anpflanzaktionen in öffentlichen Anlagen und privaten Gärten versuchen sie nun die Nahrungssituation der Insekten zu verbessern.

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Stand: 18.01.2008

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