Die direkte Messung von Gravitationswellen ist jedoch erst der erste Schritt auf dem Weg zur Gravitationswellenastronomie. Einige wenige der detektierten Ereignisse der „advanced“ Detektoren werden ein genügend gutes Signal-zu-Rausch-Verhältnis haben, sodass daraus physikalische Parameter der Quellen abgeleitet werden können. Dann weiß man, woher das Signal kommt, um welche Art von Quelle (schwarzes Loch, Supernova o.ä.) es sich handelt und wie sie beschaffen ist.
Mehr Empfindlichkeit und neue Frequenzen
Solche Ereignisse werden allerdings selten vorkommen, sodass mit dieser zweiten Generation von Gravitationswellendetektoren keine routinemäßige Gravitationswellen-Astronomie betrieben werden kann. Um dieses Ziel zu erreichen, muss die Empfindlichkeit der Instrumente noch weiter gesteigert werden. Für einige wissenschaftliche Fragestellungen, wie etwa nach der Ausdehnung des Universums oder der Evolution leichter schwarzer Löcher zu supermassiven schwarzen Löchern mit Millionen Sonnenmassen, ist eine Erweiterung des beobachtbaren Frequenzbereiches zu niedrigen Frequenzen notwendig.
Diese Ziele können mit dem Bau des Einstein Telescopes realisiert werden. Dieses Gravitationswellen-Observatorium soll eine Infrastruktur über viele Jahrzehnte zur Verfügung stellen, in der höchstempfindliche Gravitationswellendetektoren installiert und betrieben werden. In einer von der EU finanzierten, europaweiten Studie wurde in den Jahren 2008 bis 2011 unter Leitung von EGO (European Gravitational Observatory) und dem Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik ein entsprechendes Konzept entwickelt.
Ein unterirdisches Teleskop blickt ins All
Die Studie sieht vor, das Einstein Telescope (kurz ET genannt) unterirdisch in einer Tiefe von rund 200 Meter zu bauen. Es wird eine dreieckförmige Anordnung vorgeschlagen, bei der große Höhlen an den Endpunkten durch jeweils zehn Kilometer lange Tunnel miteinander verbunden werden. In den Tunneln verlaufen Vakuumrohre, durch die Laserstrahlen mit einer Leistung von bis zu drei Megawatt geschickt werden. Die Spiegel an den Enden dieser Rohre haben ein Gewicht von ca. 200 Kilogramm und werden in bis zu 20 Meter hohen Vakuumbehältern an langen Vielfachpendeln aufgehängt, um von Bodenbewegungen isoliert ruhig positioniert werden zu können.
Das gesamte Observatorium wird aus drei Detektoren in symmetrischer Anordnung bestehen. Jeder Detektor besteht aus zwei Interferometern, bei denen eines für den niederfrequenten (ca. 2–100 Hz) und das andere für den hochfrequenten Bereich (50–10.000 Hz) zuständig ist. Für die Optiken des niederfrequenten Interferometers wird Silizium als Material vorgeschlagen, welches auf eine Temperatur von 10 Kelvin gekühlt wird, um thermisch angeregte Spiegelvibrationen zu minimieren.
Bis zum Baubeginn, der gegen Ende der Dekade vorgesehen ist, werden Detailfragen in gezielten Forschungsprojekten von Mitarbeitern der beteiligten Institute in ganz Europa bearbeitet. Bis dahin, so sind sich die Gravitationswellenforscher sicher, werden mit der zweiten Generation zahlreiche Gravitationswellen detektiert sein. Mit dem Einstein Telescope – dem Beginn des Zeitalters der Gravitationswellenastronomie – kann man dann sogar noch die Gravitationswellen von der Kollision zweier schwarzer Löcher in unvorstellbaren Entfernungen am Rand des sichtbaren Weltalls beobachten, welche zu Zeiten entstanden, als das gesamte Universum nur ein Zehntausendstel des heutigen Volumens hatte.
MPG Jahrbuch, Harald Lück / Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik
Stand: 27.09.2013