Statistisch gesehen müsste jeder Bundesbürger inzwischen schon mal in einem deutschen Nationalpark gewesen sein. Denn wegen ihrer Natürlichkeit sind sie beliebte Urlaubsziele geworden. Seit der Einrichtung des ersten deutschen Nationalparks „Bayerischer Wald“ im Jahr 1969 wurden mittlerweile zwölf weitere Nationalparks ausgewiesen, weitere sind in Planung.
Natur sein lassen
Im Nationalpark gilt vor allem die Devise: Natur Natur sein lassen. Sie soll sich nach ihren eigenen Gesetzen entwickeln und möglichst unbeeinflusst vom Menschen bleiben. Der Schutz ist ähnlich umfassend wie im Naturschutzgebiet – nur auf wesentlich größerer Fläche: mindestens 100 Quadratkilometer sind gefordert. Denn es sollen nicht nur einzelne Tier- oder Pflanzenarten geschützt werden, sondern vielmehr das gesamte Ökosystem einer Region. Sie übernehmen somit eine wichtige Funktion für die Regeneration von Wasser, Boden und Luft, dienen als Rückzugsraum für bedrohte Tier- und Pflanzenarten und sind zugleich Anschauungs- und Lehrobjekt für naturkundlich Interessierte. Eigens ausgebildete Ranger bieten Führungen an und in Infozentren werden Besucher über die Besonderheiten des jeweiligen Nationalparks informiert.
Katastrophen erwünscht
Die vom Menschen als „Katastrophen“ angesehenen Prozesse wie Waldbrand, Erdrutsch, Windwurf oder Schädlingsbefall werden im Nationalpark als Teil der Natur toleriert. Im Gegensatz zur Kulturlandschaft wird ein Borkenkäferbefall daher hier nicht bekämpft, sondern als Teil des natürlichen Zerfallsprozesses angesehen. Umgestürzte Bäume bleiben als Nahrung für Kleinstlebewesen liegen, durch Biber aufgestaute Bäche sind kein Ärgernis sondern gehören zum Lebenszyklus einer Aue. Damit unterscheiden sich die Nationalparkflächen erheblich vom sonstigen Umgang des Menschen mit der Natur.
Die Größe macht’s
Die eigentliche Nationalparkidee wurzelt in den großen unberührten Naturlandschaften Nordamerikas. 1872 wurde dort der weltweit erste Nationalpark, der „Yellowstone National Park“, gegründet. Mittlerweile gibt es weltweit über 3.800 Nationalparks, die nach den internationalen Kriterien der Vereinten Nationen anerkannt sind. Die meisten der außereuropäischen Schutzgebiete liegen in dünn bis gar nicht besiedelten Regionen und können demzufolge mehrere 10.000 Quadratkilometer umfassen. Einer der derzeit größten Nationalparks weltweit ist „Wood Buffalo“ in Kanada, der mit 44.800 Quadratkilometer größer ist als Dänemark.
Einblicke in die Natur
Geradezu beschaulich nehmen sich dagegen die deutschen Nationalparks aus. Sie sind wesentlich kleiner und umfassen insgesamt etwas über 9.500 Quadratkilometer, was ungefähr der halben Landesgröße von Sachsen entspricht. 80 Prozent davon werden durch die Wasserflächen der Wattenmeernationalparks eingenommen. Doch trotz ihrer internationalen Zwergenhaftigkeit sind sie für Deutschland von besonderer Bedeutung. Denn sie bilden die einzigen großen Flächen, die in unserer stark zersiedelten und zerschnittenen Industrielandschaft noch für natürliche Prozesse reserviert sind.
Stand: 13.01.2004