Aus ganz anderer Richtung stammen die Überlegungen, die den Astronom Richard Muller dazu veranlasst haben, nicht nach weiteren Planeten, sondern nach einem bislang unbekannten Begleiter der Sonne zu suchen.
Erdgeschichtliche Aufzeichnungen zeigen eine Regelmäßigkeit in den großen »Faunenschnitten«, jenen apokalyptischen Wendezeiten der Erdgeschichte, während derer jeweils unzählige Tiergruppen von der Erde verschwanden. Eines dieser verheerenden Ereignisse ist die Katastrophe am Übergang von der Kreidezeit zum Tertiär: Das berühmte Dino-Sterben. Die beiden Paläontologen David Raup und John Sepkoski haben andere, frühere Artensterben untersucht und zeitlich eingeordnet. Ihr Ergebnis: Der »Weltuntergang« findet regelmäßig statt, rund alle 30 Millionen Jahre.
Hinter dieser Periodizität vermuten sie kosmische Ereignisse, denn nur diese spielen sich auf einer derartigen Zeitskala ab. Ein gewisses Problem dabei ist, dass ein Messfehler von zehn Prozent bereits die zur Debatte stehende Periodenlänge erreicht, sobald das Aussterbeereignis 300 Millionen Jahre zurückliegt, so argumentieren Kritiker. Dadurch werden die Zahlen tatsächlich wackelig. Doch insgesamt scheint die Arbeit von Raup und Sepkoski so gründlich zu sein, dass die Periodizität vielleicht doch mehr ist als ein Artefakt oder gar Hirngespinst.
Richard Muller wurde von Luis Alvarez, Nobelpreisträger und »Erfinder« des kometenbedingten Dinosterbens, dazu angeregt, der These des regelmäßigen Großen Sterbens gewissermaßen auf den »Zahn der Zeit« zu fühlen und nach möglichen Ursachen zu forschen. Muller stellt sich vor, dass ein bislang unentdeckter Stern, den er nach der griechischen Schicksals- und Rachegöttin »Nemesis« nennen möchte auf einer langgestreckten elliptischen Bahn um die Sonne zieht. Nur alle 30 Millionen Jahre kommt dieses verborgene Objekt – wahrscheinlich ein schwach leuchtender roter oder brauner Zwerg – unserem Hauptgestirn besonders nahe und taucht dann, immer noch unvorstellbar weit entfernt, in die gewaltige Oort-Wolke ein, um von dort ganze Kometenscharen ins innere Sonnensystem zu schleudern.
Nun, das letzte große Artensterben ereignete sich vor rund 30 Millionen Jahren. Eigentlich wäre es also nun wieder an der Zeit. Wie auch immer, sollte Mullers Nemesis-These die tatsächlichen Verhältnisse im Sonnensystem wiederspiegeln, dann wäre augenblicklich wohl die Situation besonders günstig, den dunklen Begleiter der Sonne aufzuspüren. Denn dann müsste er ja gerade in unseren Tagen besonders nahe sein.
Ob irgendwo im Reich jenseits von 2001KX76 oder Varuna noch eine andere unentdeckte und wirklich große Welt schwerfällig ihres Weges zieht, steht wieder auf einem anderen Blatt Papier. Doch auch die Chancen, jenen Planet X zu entdecken, standen noch nie so gut wie gerade heute…
Stand: 26.09.2001