Anthropogeographie

Neue Pipeline-Projekte

North Stream und South Stream

„Die unmittelbarste Folge des Gasstreits“, so schätzte Energie-Experte Simon Pirani vom Oxford Institute for Energy Studies im Januar, „wird wohl die Beschleunigung des North Stream, des South Stream und anderer Projekte mit dem Ziel der Diversifizierung des russischen Gastransits um die Ukraine herum sein.“

Damit sprach Pirani die großen neuen europäischen Pipeline-Projekte an, die derzeit in Planung sind und zum einen neue Transportwege für Russland auftun sollen, zum anderen aber auch der weiteren Diversifizierung der Energieimporte Europas dienen sollen.

Die Ostseepipeline

Verlauf der Ostseepipeline © Nord Stream

Das herausragendste und für Deutschland sicher wichtigste aber auch umstrittenste Projekt ist die seit 2005 geplante Ostsee-Pipeline (auch Nordeuropäische Gasleitung oder North Stream), die russisches Erdgas über die Ostsee nach Deutschland und Westeuropa transportieren soll. Läuft der Bau nach Plan, soll 2012 erstmals Gas durch die Ostseepipeline strömen. Beteiligt sind an dem Projekt Gazprom mit 51 Prozent, die deutschen Energieversorger Wintershall und E.ON mit jeweils 20 Prozent und die niederländische Gasunie mit neun Prozent.

Den größten Vorteil sieht die Energieanalystin Irina Suleymanowa vom Deutschen Institut für Wirtschaft in Berlin in einer größeren Unabhängigkeit des europäischen Gasmarkts von den bisherigen Transitländern Ukraine und Weißrussland. Sie gibt aber auch zu, dass damit die Abhängigkeit von Russland wachsen wird. Mit der Ostseepipeline könnte Russland seine Exportkapazität nach Westeuropa um etwa 60 Prozent steigern. „Sollten diese Mengen tatsächlich zusätzlich geliefert werden,“ so Suleymanowa, „würde Russland seine Stellung als dominierender Anbieter weiter ausbauen.“

Abhängig in beide Richtungen

Allerdings bindet sich Russland auch an feste Abnehmer und macht sich von ihnen ebenfalls abhängig. „Diese beiderseitige Bindung begründet ein gemeinsames Bedürfnis an einem langfristigen Interessenausgleich,“ so die Energie-Exppertin. Außerdem werde so auch der Ausbau noch zu erschließender Gasfelder forciert. „In diesem Sinne,“ so Suleymanowa, „trägt das Projekt zur Sicherheit der Energieversorgung bei.“

60 Milliarden Kubikmeter Erdgas soll die Ostseepipeline pro Jahr transportieren können.

Aber: Noch ist fraglich, ob diese Kapazität überhaupt erreicht werden kann. Russland sei mit dem Ausbau der neuen Gasfelder, die die Pipeline beliefern sollen, im Verzug, so Suleymanowa. Außerdem gibt es bisher noch keine sicheren Abnehmer für diese Mengen.

Teure Lösung

Kritiker werfen dem Projekt vor, dass es die weitaus teuerste Lösung zum Ausbau des europäischen Gasnetzes sei. Rund acht Milliarden Euro soll der Bau kosten. Viel billiger wären die Rekonstruktion und der Ausbau des ukrainischen und weißrussischen Gasnetzes. Selbst mit zusätzlichen Leitungen in die Baltischen Staaten wäre dies immer noch kostengünstiger. Sicher ist, dass die bisherigen Transitländer durch das Projekt an Einfluss verlieren werden.

Dazu wird auch die South-Stream-Pipeline beitragen, die allerdings für die Versorgung Deutschlands nur eine indirekte Rolle spielt. Initiiert wurde das Projekt durch Gazprom und den italienischen Energie-Konzern Eni. Die Pipeline wird am Grunde des Kaspischen Meeres verlegt werden und soll die russische Hafenstadt Noworossijsk mit Warna in Bulgarien verbinden, um von dort Gas weiter bis nach Italien und Österreich zu liefern.

Konkurrenz im Süden

Die Kosten des Pipeline-Baus werden derzeit auf zehn Milliarden Euro geschätzt. Die Kapazität soll 47 Millionen Kubikmeter Gas pro Jahr betragen. Mittlerweile haben auch Serbien und Ungarn einem Bau von Transitleitungen auf ihrem Territorium zugestimmt

Damit hat sich Russland in Südosteuropa weitere Absatzmöglichkeiten gesichert. Doch South Stream ist die direkte Konkurrenz eines weiteren Prestigeprojekts in Europa – der Nabucco-Pipeline, die an Russland vorbei Gas aus dem Kaspischen Raum nach Europa liefern soll und eines der wichtigsten Projekte der deutschen Bundesregierung zur Diversifizierung der deutschen Energieimportquellen sein soll.

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Stand: 20.03.2009

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Geht uns der Strom aus?
Gazprom, Pipelines und die deutsche Energieversorgung

Beben in der Nachbarschaft
Russland und Ukraine im Erdgasstreit

Machtpoker am Gashahn
Wie verlässlich ist Russland?

Stabiler Energiemix
Wie verwundbar ist Deutschland?

Deutschland im Netz
„Energiedrehscheibe“ in Europa

Neue Pipeline-Projekte
North Stream und South Stream

Nabucco und der Kaspische Raum
Direktzugriff an Russland vorbei

Ein neues „Great Game“?
Wettlauf um Energie in Zentralasien

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Deutschland und die Stromlücke
Künftig zu viel oder zu wenig Energie?

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