Aber kann man das Wissen um neuronale Netzwerke auch nutzen, um Menschen das Leben zu erleichtern? Die Antwort aus Göttingen ist: ja. „Wir haben ein neuronales Netz so trainiert, dass es gelernt hat, zu welchen Bewegungen ein menschlicher Arm in der Lage ist. Wir hoffen, dass wir damit eines Tages dazu beitragen können, Prothesen zu entwickeln, die sich natürlicher bewegen lassen“, erklärt Herrmann.
Denn wenn wir unsere Arme und Hände bewegen, ist längst nicht jedes Detail willentlich gesteuert. Viele Muster, die eine Armbewegung erst natürlich erscheinen lassen, werden zum Beispiel durch die Massenträgheit des Arms erzwungen. Das weiß unser Gehirn durch langes Training: Wir haben ein neuronales Modell unseres Arms im Kopf.
Sehr gut möglich, dass dieses Modell so ähnlich funktioniert wie die Karte in Robs 100-Neuronennetz: Jede Elementarbewegung des Arms wäre dann im Gehirn in Form neuronaler Muster repräsentiert wie eine Position des Labyrinths in Robs Hirn: Nicht als Punkt auf einer Karte, sondern als Erregungsmuster, das typisch für jeweils einen Zustand des Systems Arm ist.
Auch physikalische Parameter wie die Massenträgheit des Arms sind von vorneherein Bestandteil des Modells. Um den Arm zu bewegen, muss das Netzwerk praktisch nur die zuvor antrainierten Erregungsmuster durchlaufen. Um eine Kaffeetasse zu heben, müsste ein derartiges neuronales Modell nicht erst umständlich berechnen, welche Sehne, welcher Muskel unter Berücksichtigung aller Randbedingungen wann und wie lange angespannt werden muss, um das Ziel zu erreichen.
Und das Prinzip Homöostase kommt ebenfalls zu seinem Recht. So neigen wir dazu, Bewegungen immer so auszuführen, dass die Änderungen der Beschleunigung so gering wie möglich sind. Sollen wir etwa zwei im spitzen Winkel aufeinander zulaufende Linien zeichnen, tendieren wir völlig selbstverständlich dazu, sie zu einer abgerundeten Kurve zu verzerren – so sind die Änderungen der Beschleunigung am geringsten: Homöostase in Reinform.
Stand: 27.05.2005