Für die Forscher der synthetischen Biologie ist der genetische Code nichts anderes als ein Skript – eine Art Computersprache, mit der sie gezielt Arbeitsanweisungen schreiben können. Der Empfänger ihrer Anweisungen ist allerdings kein technisches Gerät, sondern eine lebende Zelle. Und auch das Skript besteht nicht aus den 26 Buchstaben unseres Alphabets. Stattdessen nutzen die Biologen die Grundbausteine der DNA, die vier Basenpaare Adenin, Thymin, Guanin und Cytosin, um Gene zusammenzustellen und so neue Bauanleitungen für die Zellen zu schreiben.
Tatsächlich vergleicht auch Hamilton Smith vom Craig Venter Institute das, was er und seine Kollegen tun, mit der Computerwelt: Eine Zelle ohne DNA ist, so sagt er, letztlich wie ein Computer ohne Betriebssystem: „Er tut nichts, solange man nicht die Software darauf installiert.“ Und ähnlich sei es auch bei einer Zelle, erklärt Smith: „Im Prinzip entwickeln wir die Software und installieren sie im Zellplasma. Und dann tut die Zelle genau das, was wir in unserer Arbeitsanweisung geschrieben haben.“
Copy-and-paste im Erbgut
Und genau darin unterscheidet sich die synthetische Biologie von der herkömmlichen Gentechnik. Denn deren Bausteine sind bereits existierende Gene. Sie betreibt gewissermaßen copy-and-paste mit dem Erbgut verschiedener Lebewesen, schreibt aber keinen neuen Code. „Forscher können schon seit langem einzelne Gene oder kleinere Gengruppen verändern“, erklärt der amerikanische Gentechnik-Pionier Craig Venter.
So werden heute bereits routinemäßig Gene von Tieren oder Pflanzen in Bakterien eingeschleust, um Arzneimittel herzustellen oder bestimmte Proteine und Enzyme für die Lebensmittelindustrie. In der Pflanzenzucht bauen Gentechniker beispielsweise die Gene des Bakteriums Bacillus thuringiensis in Mais und andere Nutzpflanzen ein, um diese resistent gegen schädliche Insekten zu machen. „Diese Maßnahmen betreffen aber nur weniger als zehn Gene aus den Zehntausenden, die die meisten Organismen besitzen“, so Venter. In der synthetischen Biologie entwickele man dagegen ganze Chromosomen neu und setze sie in Lebewesen ein – oder sogar den gesamten Chromosomensatz.
„Die synthetische Biologie ist daher ein zusätzliches Werkzeug in diesem Gebiet, aber eines, das um eine Größenordnung effektiver ist“, meint Venter. So habe die Firma DuPont zehn Jahre und hundert Millionen US-Dollar gebraucht, um nur ein paar Gene des Darmkeims Escherichia coli gezielt zu verändern. Als Ergebnis verzehrte die die Mikrobe statt Zucker eine andere Kohlenwasserstoffverbindung. Auf lange Sicht ist es daher viel intelligenter, meint der Forscher, direkt das Erbgut zu entwerfen, das man braucht – und dies ohne überflüssige oder gar störende Gene.
Wie aber funktioniert das praktisch?
Nadja Podbregar
Stand: 23.03.2012