Rund 17 Millionen Menschen, ein Viertel aller Todesfälle weltweit, sterben jährlich an einer Infektionskrankheit. Trotz der enormen Fortschritte in der Medizin ist ein dauerhafter Erfolg bei der Bekämpfung dieser Krankheiten bisher ausgeblieben. Häufig entwickeln bereits zurückgedrängte Bakterien und Viren neue Resistenzen gegen bestehende Impfstoffe oder Therapien und infizieren ihre Wirte mithilfe neuer Strategien. Gleichzeitig tauchen aber auch vollkommen neue, bis dahin unbekannte Krankheitserreger auf.
Um in diesem Wettlauf Schritt zu halten, suchen Wissenschaftler heute verstärkt nach neuen Ansatzstellen für Impfstoffe und Therapien. Dabei fahnden sie vor allem nach den so genannten „Drug targets“ – Zielmolekülen. Diese Zielmoleküle – meist Proteine – sind entweder im Stoffwechsel des Menschen oder aber des Erregers an chemischen Prozessen und Mechanismen beteiligt, die eine Krankheit erst ermöglichen oder aber blockieren können.
Im Idealfall bindet ein wirksames Medikament oder ein Impfstoff an ein solches Schlüsselmolekül und blockiert damit seine Funktion. Als Folge kann beispielsweise ein Virus nicht in die Zelle eindringen, weil ihm ein entscheidendes Enzym fehlt, oder aber das Immunsystem kann ein eingedrungenes Bakterium effektiver bekämpfen, weil seine „Tarnung“ aufgedeckt wird.
Experten schätzen, dass es etwa 200 chemische Mechanismen im Körper geben könnte, in denen verschiedene potenzielle Zielmoleküle existieren. Doch die bisherigen Wirkstoffe nutzen nur wenige dieser möglichen Ansatzstellen; die hundert wichtigsten Medikamente greifen heute beispielsweise nur 43 Zielmoleküle an. Hier neue Ansatzstellen – und die dazu passenden Wirkstoffe – zu identifizieren, ist daher eine der großen Herausforderungen der modernen Medizinforschung.
Stand: 23.06.2006