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Neuer Rekord!

Höchst- und Tiefstständen auf der Spur

Trockengefallenes Steilufer am Aralsee © CLIMAN, GFZ Potsdam

Dass der sinkende Wasserspiegel des Aralsees irgendetwas Gutes mit sich bringt, ist kaum vorstellbar. Dennoch machen sich seit wenigen Jahren Wissenschaftler zunutze, dass das zurückweichende Ufer des Aralsees Bereiche freilegt, die durch das Wasser bisher vor Blicken verborgen waren.

Bereits zu Sowjetzeiten hatte man begonnen, die Folgen der ökologischen Katastrophe am Aralsee auf Umwelt und Bevölkerung zu untersuchen. Kaum Beachtung fanden jedoch bisher die Seespiegelschwankungen, von denen es in den vergangenen Tausenden von Jahren ohne Zweifel mehrere gegeben hat.

Zweifelhafter Höchststand

Durch Sedimentbohrungen in den 1960er Jahren war man bisher davon ausgegangen, dass der Aralsee etwa um 3000 vor Christus einen Höchststand von 65 Metern, um 1000 vor Christus sogar von 73 Metern gehabt haben soll. Zum Vergleich: Im Jahr 2000 hatte der Aralsee noch eine maximale Tiefe von 34 Metern.

Archäologen vom GeoForschungsZentrum in Potsdam (GFZ) haben jetzt Zweifel am bisher angenommenen historischen Höchststand angemeldet. Gemeinsam mit russischen Kollegen hatten die Potsdamer Forscher unter der Leitung von Nikolaus Boroffka von der Universität Potsdam alte Siedlungen am Ufer des Aralsees ausgemacht. Laut den Ergebnissen der Forscher begann die Siedlungsgeschichte am Aralsee demnach bereits im Paläolithikum, in der Altsteinzeit, etwa 50.000 bis 35.000 Jahre vor Christus.

Anhand von Steinwerkzeugen, die auf etwa 60 Meter hohen Klippen über dem Meer lagen, aber nie von jüngeren Sedimenten überdeckt waren, schlossen die Archäologen, dass der Seespiegel nie über dieser Marke von 60 Metern gelegen haben kann. Einen Seespiegelstand auf der Höhe von 73 Metern halten die Potsdamer deshalb für unmöglich.

Tiefenrekord gebrochen

Bei den Untersuchungen der Potsdamer kamen aber auch bisher unbekannte rekordverdächtige Tiefststände des Aralsees zum Vorschein. Auf 42 bis 46 Metern über dem Meeresspiegel fanden die Archäologen Siedlungsreste aus der Jungsteinzeit, etwa 5000 bis 3000 Jahre vor Christus. Der Aralsee, der bis zu den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts einen Seespiegel auf der Höhe von 55 Metern hatte, musste im Neolithikum also deutlich flacher gewesen sein.

Sedimentbohrkern – direkt nach der Öffnung (rechts) und vier Stunden später © CLIMAN, GFZ Potsdam

Ein weiteres historisches Tief im 13. Jahrhundert wurde durch die Potsdamer bestätigt. Die mittelalterliche Siedlung Kerderi wurde auf 32 Metern über dem Meeresspiegel gefunden. Zu dieser Zeit muss der Wasserstand des Aralsees also niedriger gewesen sein, sonst hätte sich auf diesem Niveau keine Ortschaft entwickeln können.

Der Kerderi-Rekord wurde um die Jahrtausendwende allerdings eingestellt: Heute liegt der Wasserstand im Großen Aralsee bei etwa 30 Metern.

Während das Absinken des Seespiegels im Aralsee in jüngster Zeit eindeutig anthropogene, also menschgemachte Ursachen hat, sehen die Archäologen den Grund für die historischen Schwankungen vor allem in klimatischen Veränderungen. Auch tektonische Bewegungen kämen in Frage, so Nikolaus Boroffka. Dadurch könnten sich die Zu- und Abflussverhältnisse am Aralsee verändert haben. Die tatsächlichen Gründe für die Seespiegelschwankungen vor unserer Zeit seien jedoch noch nicht ausreichend untersucht.

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Stand: 05.01.2007

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Aralsee
Neuigkeiten von einer ökologischen Katastrophe

„Das Meer kommt zurück“
Hoffnung in Aralsk

„Gerettet, was zu retten ist“
Der Aral wird zum Stausee

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