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Lederhemd, Fellhose, Lendenschurz und dazu ein Grasmantel: So sah die Kleidung aus, die Ötzi während seiner langen Wanderungen durch die Alpen trug. Doch wie gut war Ötzi damit tatsächlich vor den Unbillen des Wetters geschützt? Behinderte sie ihn womöglich sogar bei der Jagd? Und wie schneiden die 5.000 Jahre alten „Klamotten“ im Vergleich zu moderner Outdoor- und Treckingkleidung ab? Antworten auf diese Fragen gab im Mai 2007 eine Studie der Hohensteiner Institute. Die Wissenschaftler ließen in ihre Bewertung neben Interviews mit Freiwilligen, die mit der Ötzi-Mode ausgerüstet im Sommer 2006 die Alpen überquerten, auch objektive Kriterien mit einfließen. Dazu gehörten unter anderem die Wärmeisolation, Atmungsaktivität oder Wind- und Regenfestigkeit der Kleidung.
Outdoor statt Leder
Fazit der Forscher um Professor Karl-Heinz Umbach: „Die bei Ötzi gefundene steinzeitliche Fell- und Lederkleidung weist für Temperaturen über -5 °C ausgelegte Wämeisolationswerte auf. Bei Phasen großer körperlicher Aktivität, wie beim Wandern und Jagen, führten die schlechte Atmungsaktivität und begrenzte Fähigkeit zum Transport flüssigen Schweißes dazu, dass die Leistungsfähigkeit des Trägers sehr schnell herabgesetzt wurde.“ Darüber hinaus stellten lange Trocknungszeiten der Kleidung und die dadurch drohende Auskühlung des Körpers eine gesundheitliche Gefahr für Ötzi dar, so die Wissenschaftler.
Hätte Ötzi stattdessen die heute aktuellen Funktionstextilien besessen, wäre sein Leben womöglich viel angenehmer und komfortabler gewesen. Denn: „Eine moderne Outdoor- oder Trekkingkleidung bietet hinsichtlich Tragekomfort und physiologischer Funktion insgesamt eine bessere Performance und hätte die Leistungsfähigkeit Ötzis bei Aktivitäten wie der körperlich anstrengenden Überquerung der Alpen und dem begleitenden Jagen deutlich verbessert.“, so die Forscher abschließend.
Clanführer oder einfacher Bauer?
Doch nicht nur die Qualität der Iceman-Kleidung ist längst enträtselt, auch in anderen Bereichen hat die Ötziforschung große Fortschritte gemacht. So ist bereits seit einiger Zeit bekannt, dass der Mann vom Hauslabjoch bei seinem Ableben 47 Jahren alt war – und damit ein Methusalem seiner Zeit. Auch Ötzis Abstammung konnte mittlerweile sicher geklärt werden. Wie Forscher der Universität von Perth um Wolfgang Müller anhand eines Isotopenvergleichs feststellten, war Ötzis Heimat vermutlich das Eisacktal in Südtirol.
Ein internationales Wissenschaftlerteam berichtete im Jahr 2007 darüber hinaus, dass der Mann vor über 5.000 Jahren nicht als einfacher Bauer oder Kuhhirt sein Dasein fristete, sondern hohe gesellschaftliche Bedeutung besaß. Dies schließen die Forscher einmal daraus, dass seine Kleidung vor allem aus hochwertigen Materialien bestand und er für die damalige Zeit wertvolle Gegenstände wie ein Kupferbeil besaß. Zum anderen jedoch zeigten seine Schulter-, Hand- und Fußgelenke bei einer Untersuchung nur geringe Abnutzungserscheinungen für sein Alter. „Selbst heute haben Bauern in Südtirol in diesem Alter gewöhnlich schon viel stärker abgenützte Gelenke, was auf mehr oder minder große körperliche Belastungen in ihrer Arbeit zurückzuführen ist.“, so die Forscher um Andreas Lippert in der archäologischen Fachzeitschrift GERMANIA.
Die Schlussfolgerung daraus: Ötzi war vermutlich ein leitendes Mitglied einer der vielen bäuerlichen Großfamilien damals, vielleicht sogar der Clanführer selbst. „Eine solche Persönlichkeit, die den Clan führte, musste natürlich nicht selbst die schweren körperlichen Arbeiten verrichten, die im bäuerlichen Leben anfielen. Man kann sich den Mann im Eis somit als Oberhaupt eines Clans vorstellen, der über einen weit verzeigten Besitz an Land, Wohn- und Wirtschaftsgebäuden und Vieh verfügte und Handel betrieb.“, erklären die Forscher in GERMANIA.
Die Rache der Eismumie
Noch nicht geklärt ist dagegen, was es mit einem möglichen Fluch des Ötzi auf sich hat, der von sensationslustigen Reportern immer wieder ins Gespräch gebracht wird. Angeblich sind bereits sieben Menschen, die in irgendeiner Form mit dem Leichnam zu tun hatten, zum Teil unter mysteriösen Umständen gestorben.
Dazu gehört auch Professor Dr. Konrad Spindler. Der deutsche Archäologe erlag am 18.04.2005 nach langer Krankheit einer Amyotropher Lateralsklerose, kurz ALS. Dabei handelt es sich um eine schwere Erkrankung des motorischen Nervensystems, bei der es zu Muskellähmungen am ganzen Körper kommt. Spindler hatte von 1991 an die naturwissenschaftlichen Untersuchungen der Mumie an der Universität Innsbruck geleitet.
Stand: 30.11.2007