In einem Interview mit g-o.de gibt Michael Hofreiter vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig Auskunft über die aktuellen Entwicklungen in der Mammut-Forschung.
g-o.de:
Herr Hofreiter, das Mammut ist seit knapp 10.000 Jahren ausgestorben, trotzdem ist es Ihnen und Ihren Kollegen vom Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie gelungen, wichtige Teile des Erbguts der Eiszeitriesen zu sequenzieren. Wie sind Sie dabei vorgegangen?
Hofreiter:
Wir haben zunächst wie in jedem ‚alte DNA Projekt’ die DNA extrahiert, indem wir ein Stückchen Knochen aufgelöst und die DNA, die dabei in Lösung gegangen ist, gereinigt haben. Manche Knochen, wie der den wir analysiert haben, enthalten auch nach 10.000 oder sogar 50.000 Jahren noch Reste der ursprünglich vorhandenen DNA. Diese gereinigte DNA haben wir dann mit Hilfe einer speziellen PCR Methode vervielfältigt. So ist es uns gelungen, die gesamten 16.770 Basenpaare mit nur etwa 200 Milligramm Knochenmaterial mehrfach zu multiplizieren und zu sequenzieren.
g-o.de:
Welches sind die wichtigsten Ergebnisse ihrer Studie?
Hofreiter:
Es gibt drei Hauptergebnisse. Erstens stellt die Methode einen großen Fortschritt in der ‚alte DNA Forschung’ dar, da sie es ermöglicht lange und – was für viele Analysen sehr wichtig ist – zusammenhängende DNA Stücke von ausgestorbenen Arten zu untersuchen. Zweitens ist es uns gelungen, das Verwandtschaftsverhältnis von Mammut, afrikanischem und asiatischem Elefanten zu klären, nachdem dieses für mehr als zehn Jahre, seit der Veröffentlichung der ersten Mammut-DNA Sequenzen im Jahre 1994, kontrovers diskutiert wurde.
Und drittens können wir eine Aussage zum zeitlichen Ablauf des Artbildungprozesses der drei Arten machen: Vor sechs Millionen Jahren lebte der gemeinsame Vorfahr aller drei Arten. Zunächst hat sich die Linie des afrikanischen Elefanten abgetrennt und nur eine halbe Million Jahre später haben sich die Linien von Mammut und asiatischem Elefanten getrennt. Mit anderen Worten, die Artbildung der drei Arten hat innerhalb eines evolutionär sehr kurzen Zeitraums stattgefunden.
g-o.de:
Wird es irgendwann möglich sein, das komplette Genom des Mammuts zu entschlüsseln? Sind dafür Neufunde von Kadavern oder Skeletten nötig?
Hofreiter:
Im Prinzip ist das heute schon möglich, wie zwei Veröffentlichungen im letzen Jahr im Magazin Science gezeigt haben. Es gibt auch genügend Skelettfunde von Mammuts, um solch ein Projekt zu bewerkstelligen. Das Problem ist, dass es sehr teuer ist und wenig neue Erkenntnisse bringt. Da alte DNA beschädigt ist, müsste man in einem Genomprojekt jedem DNA Abschnitt sehr häufig sequenzieren, um sicher zu gehen, dass die Daten keine Fehler enthalten. Bereits wenn man mit moderner DNA arbeitet geht man von sechs- bis zehnfachem „Coverage“ aus, bei alter DNA müsste es mindestens so hoch liegen. Und meist gibt es dann immer noch Lücken im Genom, d.h. will man sich ein bestimmtes Gen näher ansehen, müsste man ohnedies zurückgehen und dieses Gen mit Hilfe von PCR nochmals genau analysieren. Da es bereits ein Elefanten-Genomprojekt gibt, kann man diesen Weg aber gleich gehen, was wesentlich billiger ist.
g-o.de:
Nach Ihrem Durchbruch in der Mammut-Forschung: Gibt es bereits konkrete Ziele oder Pläne für die Zukunft?
Hofreiter:
Es gibt eine Anzahl von Projekten, die wir verfolgen. Zum einen arbeiten wir schon sehr lange an populationsgenetischen Fragen eiszeitlicher Tiere wie Höhlenbär und Höhlenhyänen. Diese Forschung werden wir auch weiterverfolgen, weil sie sehr viel über die Veränderungen während der Eiszeit verrät – beispielsweise über Wanderungen innerhalb und zwischen Kontinenten. Dies ist auch für die Forschung an Hominiden interessant, weil wir unter anderem zeigen konnten, dass Hyänen, ähnlich wie die frühen Hominiden mehrfach aus Afrika nach Eurasien ausgewandert sind.
Natürlich werden wir auch weiter an Mammuts arbeiten, so zum Beispiel den Artbildungsprozess auf nukleärer Ebene untersuchen. Dazu benötigen wir allerdings andere Marker als die kurzen Fragmente, die bisher bekannt sind und zudem die entsprechenden Sequenzen auch vom asiatischen Elefanten. Die nächste Frage wäre dann funktionelle Gene zu untersuchen, um die genetischen Grundlagen der Anpassung an das arktische Klima zu verstehen. Und wir werden natürlich in Zukunft versuchen die Stammesgeschichte anderer ausgestorbener Arten zu klären.
g-o.de:
Herr Hofreiter, sie sind tätig am Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie und beschäftigen sich trotzdem mit Mammuts. Warum?
Hofreiter:
Mammuts waren Teil der eiszeitlichen Fauna Eurasiens zu einer Zeit als im gleichen Gebiet zunächst der Neanderthaler und später der moderne Mensch lebte. D.h. ein besseres Verständnis über die Biologie des Mammuts hilft, den Kontext der menschlichen Evolution besser zu verstehen. Interessant ist auch, dass die Artbildung von Mensch, Schimpanse und Gorilla nicht nur etwa zur gleichen Zeit und am gleichen Ort – Afrika – stattgefunden hat wie die Artbildung zwischen Mammut und den beiden Elefantenarten, sondern beide Prozesse auch sehr schnell abgelaufen sind.
Es besteht deshalb die Möglichkeit, dass vor sechs bis acht Millionen Jahren irgendetwas passiert ist – beispielsweise eine Änderung des Klimas – das zu sehr schnell aufeinander folgenden Artbildungen geführt hat. Und eine dieser Artbildungen ergab den evolutionären Zweig, der zum Menschen führte, weshalb wir uns jetzt darüber unterhalten können. Je besser wir das Umfeld der menschlichen Evolution verstehen, desto eher werden wir die Gründe dafür verstehen, warum Menschen entstanden sind.
g-o.de:
Manche Wissenschaftler arbeiten angeblich bereits daran, das Mammut oder auch das Wollnashorn und den Säbelzahntiger zu klonen. Werden irgendwann einmal wieder solche Giganten – vielleicht in einer Art „Jurassic-Park“ für Eiszeittiere – über unseren Planeten stampfen?
Hofreiter:
Diese Tiere direkt zu klonen, wird niemals möglich sein, da dazu nicht nur das gesamte Genom vorhanden sein müsste, sondern intakte Zellen. Die DNA und alle anderen Biomoleküle dieser Arten liegen aber stark fragmentiert vor, deshalb wird direktes Klonen immer zum Scheitern verurteilt sein. Was man theoretisch machen könnte, ist, mit Hilfe nahe verwandter Arten wie beispielsweise dem asiatischen Elefanten transgene Tiere zu erzeugen, die die Eigenschaften der ausgestorbenen Arten tragen. Allerdings ist dies sehr aufwendig und für keine der infrage kommenden Arten existieren die molekularen Techniken dafür. Dazu kommt, dass man immer nur ein Gen pro Generation einbauen kann. Das bedeutet: man würde sehr viele Generationen benötigen. Bedenkt man noch die Generationszeit von Elefanten und Nashörnern und die Schwierigkeiten diese Arten überhaupt in Gefangenschaft zu züchten, merkt man sehr schnell, dass solche Überlegungen ins Reich des Absurden gehören.
g-o.de:
Wäre eine „Wiedergeburt“ des Mammuts aus Ihrer Sicht überhaupt erstrebenswert?
Hofreiter:
Ich denke nicht, dass es unbedingt erstrebenswert wäre. Natürlich würde ich mich sehr freuen ein lebendes Mammut bestaunen zu können. Aber ich denke zunächst sollten wir versuchen, das an biologischer Vielfalt zu bewahren, was wir Menschen auf der Erde noch übrig gelassen haben. Dies wird bereits ein schwieriges Unterfangen werden. Wenn wir nicht aufpassen, stellt sich bald die Frage, ob wir die heute lebenden Verwandten des Mammuts oder den Tiger – ohne Säbelzahn – klonen können. Falls es uns gelingt, die heutige biologische Vielfalt dauerhaft zu sichern – und noch einige Dutzend Probleme der menschlichen globalen Gesellschaft zu lösen – können wir immer noch darüber nachdenken, dann Mammuts zu klonen.
g-o.de:
Herr Hofreiter, wir bedanken uns für das Interview!
Stand: 06.02.2006