Jeder Mensch gibt zu jeder Zeit eine Flut von Informationen über sich preis – wie alt er ist, welchen sozialen Status er wahrscheinlich hat, aus welchem Land er stammt, ob er womöglich ein interessanter Gesprächspartner wäre. „Was entscheidet nun darüber, was Ihnen ins Bewusstsein tritt, wenn Sie einen Menschen sehen? Welche Faktoren bestimmen darüber, welche Kategorisierung wirksam wird?“, fragt der Psychologe Karl Christoph Klauer.
Abkürzung im Gehirn
Obwohl Vorurteilen – oder eher den Menschen, die nach ihnen handeln – das Image vierschrötiger Stammtischler anhaftet, wissen Forscherinnen und Forscher, wie wertvoll vorgefertigte Denkmuster für die alltägliche Informationsverarbeitung sind. Sogar in scheinbar harmlosen Situationen sind sie unverzichtbar: „Stellen Sie sich vor, Sie warten am Flughafen oder gehen einkaufen“, sagt Klauer. „Würden Sie für jeden Einzelnen, der Ihnen begegnet, alle möglichen sozialen Kategorisierungen durchspielen, wären Sie sofort überfordert.“
Damit das Gehirn nicht wie ein überlasteter Rechner zusammenbricht, greifen Menschen auf Denkschablonen zurück, auf allgemeine Annahmen, die sich als praktikabel erwiesen haben. Dieses ökonomische Vorgehen ermöglicht ihnen, rasch zu entscheiden, Gefahren zu erkennen und sich durch den Informationswust zu kämpfen.
„Gerade in Situationen, in denen wir unter Druck stehen, greifen wir oft auf stereotypes Wissen zurück, ohne es zu prüfen.“ Nähert sich nachts eine bedrohlich aussehende Gestalt in schmuddeliger Kleidung, würden wohl die meisten die Straßenseite wechseln. „In solchen Situationen hat man keine Zeit, um zu überprüfen, ob individuelle Hinweise darauf hindeuten, dass es sich um eine nette Person handeln könnte.“
Universität Freiburg, uni’wissen, Rimma Gernenstein
Stand: 19.02.2016