Auf den ersten Blick scheint es ein Paradox zu sein, von Tarnung zu sprechen, wenn man durch helles Leuchten Aufmerksamkeit erregt. Doch einige Arten, wie beispielsweise der Tintenfisch, nutzen Biolumineszenz tatsächlich als Tarnvorrichtung. Raubfische richten ihre Aufmerksamkeit meist nach oben und suchen in den Wasserschichten über ihnen nach einer Silhouette oder einem Schatten. Genau damit rechnet der Tintenfisch. Betrachtet man ihn von unten gegen die erhellte Wasseroberfläche, verschwindet er bei „eingeschalteten Lampen“ zwischen dem Licht, das von oben kommt.
Auch Garnelen passen sich mit dieser Taktik dem Hintergrund an. Dabei sind sie sogar in der Lage, die Farbe des Lichts, das sie aussenden, der jeweiligen Umgebung anzupassen. Tagsüber halten sie sich meist in kalten tieferen Wasserzonen auf, wo nur noch die Blautöne des Sonnenlichts hin gelangen. Entsprechend aktiviert die Garnele die Leuchtorgane, die blaues Licht ausstrahlen. Während der Nacht kommen die Garnelen an die wärmere Oberfläche. Hier herrschen Grün- und Blautöne vor, da das Mondlicht im seichteren Wasser noch nicht so stark gefiltert wird. Die Garnelen passen ihre Tarnung entsprechen an, indem sie zusätzliche Leuchtorgane aktivieren, die grünes Licht abstrahlen. Forscher haben herausgefunden, dass es nicht die Farbe ist, die die Tiere in der Wahl ihrer Tarnfarben beeinflusst, sondern die Umgebungstemperatur.
Garnelen erscheinen jedoch nur unsichtbar, solange sie nicht ihre Orientierung wechseln. Krill beispielsweise hat deshalb die Fähigkeit entwickelt, die Leuchtorgane entsprechend der Körperbewegung zu verschieben, so dass immer die Unterseite beleuchtet ist.
Leuchtende Wolke als Ablenkungsmaneuver
Doch Meeresbewohner verwenden Lichteffekte nicht nur, um sich zu tarnen. Oft erweisen sich diese auch als wirksames Ablenkungsmanöver, um den Feind vorübergehend abzulenken.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts erlebt die Tiefseeforschung einen enormen Aufschwung. Viele Länder entsenden Schiffe, die speziell in der Tiefsee arbeiten. Auch die Deutschen sind mit von der Partie. Unter der Leitung des Leipziger Zoologen Carl Chun sticht am 31. Juli 1898 der Dampfer „Valdivia“ von Hamburg aus zu einer neun Monate dauernden Forschungsreise in See. Dieser Expedition verdankt der Vampirtintenfisch seine Entdeckung. Die Forscher zogen ihn aus einer Tiefe von 4.000 Metern an Bord und gaben ihm den theatralischen Namen Vampyroteuthis infernalis, „Vampirtintenfisch aus der Hölle“. Der Name bezieht sich auf die Häute, die sich zwischen seinen Armen aufspannen und ihm das Aussehen eines in einen Umhang gehüllten Vampirs geben.
Auf seinem gesamten Körper befinden sich Leuchtorgane, die mittels Biolumineszenz Licht erzeugen. Ein Paar dieser Leuchtorgane ist durch spezielle Lider verschließbar und kann eine Wolke aus Leuchtpartikeln ausstoßen, um potentielle Feinde zu verwirren. Die leuchtende Wolke bleibt bis zu zehn Minuten bestehen. Diese Phase nutzt der Tintenfisch, um zu entkommen.
SOS der Nacht
Wer sich nicht selbst wehren kann, ist auf Hilfe angewiesen. Darauf vertrauen Dinoflagellaten der Gattung Noctiluca. Sie nutzen die Biolumineszenz zu ihrer eigenen Verteidigung. Wenn sie anhand der Wasserbewegung einen Räuber spüren, reagieren sie mit Lichtblitzen von circa einer Zehntelsekunde Dauer. Dadurch werden andere größere Raubfische angelockt, die ihren Feind „entsorgen“. Diese Erscheinung ist als Meeresleuchten weltweit bekannt. Oft ist es die Bugwelle oder das Kielwasser eines Schiffes, das das Leuchten auslöst.
Forscher haben beobachtet, dass bei photosynthetischen Dinoflagellaten die Helligkeit in engem Zusammenhang mit der Intensität des Sonnenlichts vom Vortag steht. Je heller das Sonnenlicht, desto heller die Lichtblitze. Die genauen Mechanismen hinter dieser Beziehung liegen jedoch noch im Dunkeln.
Biolumineszenz dient nicht nur zu Tarnungszwecken. Manche Arten setzen sie ganz bewusst ein, um auf sich aufmerksam zu machen, wenn es um die Partnersuche geht…
Stand: 30.08.2005