Sind wir auf dem besten Wege, eine Gesellschaft von „Gehirn-Dopern“ zu werden, von Menschen, die mit Pillen noch das letzte bisschen Leistung aus ihrem Denkorgan herauskitzeln wollen? Wohl eher nicht. Obwohl es bisher kaum Studien zur allgemeinen Verbreitung von Neuro-Enhancement-Mitteln gibt, spricht alles dafür, dass ihre Nutzung eine Domäne vor allem bestimmter Bevölkerungs-Gruppen ist – noch.
An US-Elite-Unis besonders verbreitet
Besonders „Doping-trächtig“ sind einer amerikanischen Studie zufolge die US-Universitäten. Dort nutzen bis zu sieben Prozent, an einigen Campussen angeblich sogar ein Viertel aller Studenten leistungsfördernde Mittel. Auch die „Nature“ Umfrage verzeichnet einen Peak in der Altersgruppe unter 25 Jahren. Allerdings: Ein zweiter Peak findet sich bei den 55- bis 65-Jährigen und damit bei Akademikern, die eigentlich aus der experimentierfreudigen Sturm-und-Drang-Zeit heraus sein sollten.
Auch in Europa scheint der Trend zum akademischen Gehirn-Doping bereits Fuß gefasst zu haben, wenngleich bisher quasi nur mit einer Zehe. So berichtete die britische Neuropsychologin Barbara Sahakian schon 2009 in einem Zeitungsartikel, dass viele ihrer Kollegen Mittel wie Vigil oder Adderall nutzen, auch Journalisten und Medienschaffende scheinen hier zu den „early adopters“ – den Trendsettern – zu gehören.
Deutschland: noch „Entwicklungsland“
In Deutschland ist das gezielte Neuro-Enhancement dagegen bisher kaum vertreten: In einer 2009 veröffentlichten Studie der Krankenkasse DAK an 3.000 Berufstätigen gaben zwar 143 Menschen zu, schon mindestens einmal ein Medikament ohne medizinische Notwendigkeit eingenommen zu haben – das würde immerhin fünf Prozent entsprechen. Bei näherer Betrachtung stellte sich allerdings heraus, dass der Großteil von ihnen dabei keine Verbesserung der Leistungsfähigkeit anstrebte, sondern nur Stimmungstiefs oder Angstzustände ausgleichen wollte. Tatsächlich „gedopt“ im Sinne einer geistigen Leistungssteigerung hatten sich dagegen nur ein bis zwei Prozent.
Auch die deutschen Universitäten scheinen im Gegensatz zu ihren amerikanischen Gegenstücken noch keine „Brutstätte“ des Neuro-Enhancements zu sein, wie eine Anfang 2011 veröffentlichte Studie von Forschern der Universität Mainz zeigt. Sie hatten 1.035 Schüler und 512 Studenten nach ihrem Wissen und ihren Erfahrungen mit Neuro-Enhancern, aber auch Aufputschmitteln wie Ecstasy, Kokain oder Speed befragt. Das Ergebnis: gut 2,5 Prozent der Teilnehmer gaben an, im Laufe ihres Lebens schon einmal aufputschende Drogen genommen zu haben, Erfahrungen mit Neuro-Enhancern hatten aber nur rund 1,55 Prozent der Schüler und 0,78 Prozent der Studenten.
„Große generelle Bereitschaft“
Eine Entwarnung ist das allerdings nicht, wie auch Thomas Metzinger, der Leiter der Studie betont: Zwar gebe es noch keine Enhancement-Epidemie, „es zeichnet sich aber eine große generelle Bereitschaft ab, solche Substanzen einzunehmen.“ Ähnlich sieht das auch seine britische Kollegin Barbara Sahakian: „Der Antrieb zur Selbstoptimierung in Bezug auf geistige Fähigkeiten ist genauso stark, wenn nicht sogar noch stärker, als derjenige im Bereich der Schönheit oder Sexualität.“
Und ähnlich wie bei der Schönheitschirurgie prognostizieren die Forscher auch für das „Gehirn-Doping“ eine schleichende und mit wachsender kultureller Akzeptanz zunehmende Verbreitung. Gelten solche Mittel erst einmal als ethisch unbedenklich und „cool“, werden sie ihren Siegeszug antreten.
Nadja Podbregar
Stand: 17.06.2011