Anthropogeographie

Nur Krawalle, Gangs und Ghettoisierung?

Niedergang der Downtowns

Los Angeles ist eine sehr gegensätzliche Stadt, in der einerseits die Privilegierten in Beverly Hills, Bel Air und Malibu residieren, andererseits aber auch ein Großteil der Bevölkerung in Ghettos haust. Diese Tatsache, kombiniert mit den vorherrschenden Klassen- und Rassenunterschieden, die jederzeit eskalieren können, macht L.A. zu einem gefährlichen Pflaster und zu einer der gefährlichsten Städte in den gesamten USA.

Kann es in einer Stadt mit diesen gigantischen Ausmaßen wie L.A. überhaupt ein richtiges Stadtzentrum geben? Das fragt man sich sehr schnell, wenn man mit diesem unübersehbaren Häusermeer Bekanntschaft macht. Und doch gibt es eine Art Zentrum, Downtown oder „inner city“ genannt, das auch schon von weitem erkennbar ist. Dort befinden sich die wenigen richtigen Wolkenkratzer L.A.’s, die allerdings von ihren Ausmaßen und ihrer Höhe nicht einmal mit denen in San Francisco oder San Diego mithalten können.

Doch die amerikanischen Downtowns befinden sich im Wandel. Der Niedergang der Downtowns ist äußerst problematisch, denn er hat immer leerstehende, verwahrloste Gebäude zur Folge, die dann in kürzester Zeit von sozial Schwachen bezogen werden. Eine solche Verarmung der Downtown-Bevölkerung lässt über kurz oder lang Ghettos entstehen.

Slumkönige gegen die Polizei

Diese Zone der Ghettos liegt wie ein Ring um die Innenstadt. Hier wird die Bevölkerung sich selbst überlassen, die Polizei ist vollkommen überlastet und so genannte „Slumkönige“ ziehen mit Schlägertrupps und bewaffneten Söldnern durch die Ghettos um auf eigene Faust gegen Drogenhändler und Kriminelle vorzugehen. Der MacArthur Park, einstige prachtvolle Parkanlage L.A.’s, ist heute Schauplatz von offen ausgetragenen, bewaffneten Kämpfen der Dealer und Straßenbanden.

Auch wenn in der Öffentlichkeit häufig von Rassenkrawallen die Rede ist, muss man berücksichtigen, dass die Kämpfe nicht nur rassen-, sondern oft auch klassenabhängig sind. Die weitaus größere Kluft besteht zweifelsohne zwischen den unterschiedlichen Klassen, zwischen denen, die im Wirtschaftsleben stehen und denen, die es nicht geschafft haben. Die Grenze zwischen Klassen und Rassen ist allerdings teilweise fliessend. Obwohl in Los Angeles keine Bevölkerungsgruppe extrem dominiert (45% Latinos, 30% Weiße, je 10% Afroamerikaner und Asiaten), gehört der Großteil der Unterprivilegierten immer noch der Gruppe der Latinos oder Afroamerikaner an. Dieser Aspekt ist die eigentliche gesellschaftliche Herausforderung, der sich Los Angeles stellen muss.

Sogar in der heutigen Stadtverfassung bzw. im Raumordnungsplan ist noch festgeschrieben, dass bestimmte Vorort-Wohngebiete der Weißen von der Besiedlung Farbiger frei bleiben müssen. So fällt eine gerechte Behandlung schwer und es bleiben ihnen gar nicht viel andere Siedlungsgebiete als die inner city übrig. Die Möglichkeit, sich in den Stadtgebieten niederzulassen, wo sie wollen, haben die Farbigen, zumindest die, die der Unterschicht angehören, sowieso nicht. Auch als die Industrien, die früher in Downtown ansässig waren, an die Stadtgrenzen abwanderten, durften die Farbigen sich nicht in der Nähe dieser neuen Industrieparks niederlassen. So kam es, dass Downtown aufgrund fehlenden Kapitals und ausbleibenden Steuereinnahmen immer mehr verslumte.

Es ist deshalb nicht verwunderlich, wenn sich die aufgestaute Wut, provoziert und verursacht durch ungerechte Behandlung, des öfteren entlädt. So geschehen beispielsweise 1965 beim Aufstand von Watts oder erst 1992 bei den Riots in Southcentral L.A., die die größten Aufstände in der amerikanischen Geschichte seit Ende des Bürgerkrieges waren. Ausgelöst wurden die Riots durch den Freispruch weißer Polizisten nach Verprügeln eines schwarzen Autofahrers. Trotz Eingreifen der Nationalgarde kam zu es vielen Todesopfern, Plünderungen und der Zerstörung ganzer Straßenzüge. In diesen Fällen kommt eine polizeiliche Härte des LAPD (Los Angeles Police Department) zu Tage, die durch den schlechten Ruf der berühmt-berüchtigten Gangs, auch noch gerechtfertigt und unterstützt wird. So scheint es in L.A. kaum jemanden zu verwundern, wenn Ausgangssperren verhängt werden, die farbigen Jugendlichen den Aufenthalt in bestimmten Stadtteilen schlichtweg verbieten. Dadurch bleibt im Prinzip nur noch die inner city als Aufenthaltsort übrig, was sie natürlich zu einem gefährlichen Pflaster, das fest in den Händen der Gangs ist, macht. Für den Fall, dass es wieder einmal zu Unruhen in Watts oder Compton kommt, sind jederzeit Marines aus nahen Stützpunkten in Alarmbereitschaft…

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Stand: 19.05.2001

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Inhalt des Dossiers

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Definition

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Die 10 größten Städte der Erde 1950 - 2015

Der Mythos L.A.
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Nur Krawalle, Gangs und Ghettoisierung?
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