Abschmelzendes Eis im Inselinneren, auftauender Permafrostboden, eisfreie Wasserwege… Der Klimawandel hat in Grönland vielerlei Folgen. Zumindest die Wirtschaft könnte in Zukunft davon auch profitieren. Es entstehen zwar immense Kosten für die Instandhaltung der Straßen, die in den betroffenen Gebieten wortwörtlich im Morast versinken, aber auf einer eisfreien Insel würde zum Beispiel die landwirtschaftlich nutzbare Fläche steigen. Darüber hinaus eröffnen sich völlig neue Perspektiven für Fischerei, Schifffahrt und vor allem für den Abbau von Rohstoffen. Denn zieht sich das Eis zurück, kann mit der wirtschaftlichen Erschließung natürlicher Ressourcen begonnen werden – wenn es sie denn tatsächlich gibt.
Der Wettlauf hat begonnen
Denn bis heute ist noch unklar, ob überhaupt Rohstoffe in lohnenswerten Mengen unter dem Eis liegen. Trotzdem ist besonders das Ölgeschäft in Grönland in den vergangenen Jahren in Bewegung gekommen. Joergen Waever Johansen, der für Rohstoffe zuständige Minister der autonomen Selbstverwaltung Grönlands, schätzt die Situation zuversichtlich ein: „Wir wissen, das wir Öl haben. Wir hoffen, dass wir es in wirtschaftlich lohnenswerten Mengen haben werden.“ Bisher scheiterten seit 1976 fünf Versuche, um mögliche Lagerstätten zu erschließen. Doch die Begehrlichkeiten der „Global Player“ im Ölgeschäft sind trotzdem bereits geweckt.
Amerikanische Geologen schätzen die Ölvorkommen im Meeresgebiet vor Nordwestgrönland sogar auf bis zu 110 Milliarden Barrel, das entspricht ungefähr dem Vorkommen in der Nordsee. Obwohl das Gebiet bisher noch fast ganzjährig von Eis bedeckt ist und die Schätzung noch nicht durch Probebohrungen bestätigt wurde, begann man im Sommer des letzten Jahres bereits mit der Versteigerung von Lizenzen. Dabei ging es um die Erforschung eines 92.000 Quadratkilometer großen Gebietes in den Gewässern rund um die westgrönländische Disko-Bucht. Vertreter der weltweit größten Ölgesellschaften, darunter BP, Total, Exxon-Mobile und Shell, versammelten sich in der Stadt Ilulissat, um sich vor Ort einen Überblick zu verschaffen. Wenn alles nach Plan verläuft, ist der Einstieg in die kommerzielle Ölförderung für 2016 geplant. Natürlich nur, wenn die Probebohrungen bis dahin den gewünschten Erfolg gebracht haben.
Umweltschutzorganisationen warnen vor den ökologischen Folgen der Probebohrungen und bezeichnen das Handeln der Akteure als unverantwortlich. Allein der Bau der notwendigen Straßen und Versorgungseinrichtungen sowie die Präsenz so vieler Menschen würden ihrer Meinung nach ausreichen, um das sensible Ökosystem vor Ort nachhaltig zu schädigen. Mit der Ruhe der hier lebenden Wale, Fische und Seevögel wäre es jedenfalls vorbei.
Die Hans Insel: Streit um Nichts oder um das „Große Geld“ der Zukunft?
80 Grad Nord. Hier am frostigen Ende des amerikanischen Kontinents liegt ein kleines von Packeis umgebenes Eiland – die Hans Insel. Der wenige hundert Meter breite und drei Kilometer lange „Felsbrocken“ in der Nares Strait, die Kanada und Grönland voneinander trennt, ist vollständig unbewohnt. Das Klima an diesem Ort ist so rau, dass es dort nicht einmal Tiere und Pflanzen dauerhaft aushalten. Lediglich ein paar Robben sind immer wieder mal auf den kahlen Felsen anzutreffen.
Dennoch löste dieses Ödland einen Streit zwischen der kanadischen und der dänischen Regierung, die das autonome Grönland außenpolitisch vertritt, aus. Die Hoheitsrechte über die Insel waren lange Zeit umstritten und als man im Jahre 1973 die Grenze zwischen Kanada und Grönland festgelegte, hatte man die Entscheidung darüber auf unbestimmte Zeit vertagt. Im Zuge der globalen Klimaerwärmung wurde das Interesse an einer Klärung der Besitzverhältnisse jedoch erneut geweckt. Dabei ging es weniger um die Insel selbst, sondern eher um einen Präzedenzfall hinsichtlich der Nutzung grönländischer und kanadischer Wasserwege. Diese werden bei zunehmender Eisfreiheit wirtschaftlich immer interessanter, etwa für die Förderung von Rohstoffen, die vor der Küste der beiden Länder vermutet werden, oder für Öltransporte aus der Arktis nach Europa.
Während es anderswo auf der Welt beim Streit um Landesgrenzen auch mal zu kriegerischen Auseinandersetzungen kommt, fand hier zum Glück nur ein politisches „Possenspiel“ statt. Denn hier griff niemand zur Waffe, sondern man beschränkte sich darauf den Kontrahenten mit „eindeutigen Gesten“ zu provozieren. Beide Seiten hissten abwechselnd ihre Landesflagge und Kanadas Verteidigungsminister Bill Graham stattete der Insel sogar einen Besuch ab. Dies sollte eindrucksvoll vor Augen führen, dass andere Staaten und internationale Konzerne an der jeweiligen Regierung nicht vorbei kommen, wenn sie in dieser Region nach Rohstoffen suchen.
Im Jahre 2005 haben sich Kanada und Grönland schließlich darauf geeinigt, die Insel erstmal gemeinsam zu verwalten. Keines der beiden Länder gibt damit aber seinen Anspruch auf die Hans-Insel auf und dieser Konflikte dürfte nur einer von vielen Streitigkeiten um „Grund und Boden“ in einer zunehmend eisfreien Arktis sein.
Stand: 18.05.2007