Am 26. Mai startet BP einen noch anderen Versuch das Leck zu schließen – mit einer aus dem Irakkrieg bekannten Methode: dem „Top Kill“. Damals für die brennenden Ölfelder von Kuweit eingesetzt, wird dabei das Bohrloch quasi von innen verstopft. Dafür pressen Techniker unter hohem Druck über Leitungen mehr als fünf Millionen Liter Spezialschlamm sowie Gummireste und Fasermaterial in den Bohrlochaufsatz. Die Masse soll sich weiter nach unten ausbreiten und wie ein Pfropf für das nach oben drängende Öl wirken. Wird dadurch der Ölfluss gestoppt, soll die Masse durch Zement ersetzt werden und damit das Bohrloch dauerhaft versiegeln.
Schlamm versackt
Doch Operation „Top Kill“ scheitert. BP gelingt es nicht, das austretende Öl zu bremsen, der Pfropfen ist nicht dicht. Ein Nachgießen des Zements, wie eigentlich geplant, kommt nicht in Frage. „Wir haben Schäden unter der Oberfläche entdeckt, so dass der Schlamm seitlich in die Gesteinsformation ausweichen kann“, erklärt ein anonym bleiben wollender BP Mitarbeiter am 31. Mai gegenüber der Washington Post. Wenig später sagt Mark Hafle, Bohringenieur bei BP offiziell aus, dass bei der Operation „Top Kill“ tausende Barrel Schlamm im Untergrund verloren gegangen seien – ein Hinweis darauf, dass die unterirdische Einfassung des Bohrlochs, das so genannte „well casing“ beschädigt sein könnte.
Löcher im „Well case”?
Sollte dies tatsächlich der Fall sein, hätte das schwerwiegende Folgen auch für alle weiteren Abdichtungsversuche, einschließlich der Entlastungsbohrungen. Denn sie alle gleichen in dem Fall dem Versuch, einen mit Löchern übersäten Gartenschlauch allein durch Verschließen seiner Öffnung am Schlauchende abzudichten. Steht er unter Druck, hat diese Maßnahme den einzigen Effekt, dass dann umso mehr Wasser aus den zahlreichen Löchern spritzt. Und genau diesen Effekt befürchten jetzt auch Erdöltechniker und Geologen im Golf von Mexiko.
Tritt tatsächlich Öl unter hohem Druck aus dem unterirdischen Teil des Bohrlochs in den umgebenden Meeresboden aus, wirkt sich dies auf die Stabilität des gesamten Untergrunds aus. Als Folge könnte der gesamte 450 Tonnen schwere Blow-Out-Preventer einsinken oder sogar umkippen. Er steht bisher auf dem Meeresgrund, wird dabei aber vorwiegend von der Stahlkonstruktion des Bohrlochs getragen. Diese wiederum bekommt durch die seitliche Stützwirkung des Untergrunds Halt. Die oberen Schichten des Bodens bestehen allerdings nur aus Sand und Schlick mit entsprechend wenig Stabilität. Erst weiter unten stützen Gesteinsschichten das Stahlgerüst des Bohrlochs von außen.
Nadja Podbregar
Stand: 16.07.2010