Mr. Kon-Tiki, größter Abenteurer des 20. Jahrhunderts, Begründer der „experimentellen Archäologie – als der gerade mal 22 Jahre alte norwegische Student der Zoologie und Geographie Thor Heyerdahl 1937 mit seiner Frau Liv zum ersten Mal in die Südsee kommt, deutet nur wenig auf seinen späteren märchenhaften Aufstieg hin.
Stadtleben – Nein Danke
Er ist enttäuscht vom modernen Stadtleben und den angeblichen Segnungen der Zivilisation. Besonders entsetz die große Fortschrittsgläubigkeit der Menschen auf der Welt und die Abkehr vom Leben im Einklang mit der Natur machen ihm arg zu schaffen.
Deshalb hat er Europa den Rücken gekehrt, um auf der Insel Fatu Hiva in der Marquesas-Gruppe zoologische Studien zu betreiben. Er will hier für ein Jahr den transozeanischen Ursprung des tierischen Lebens auf dem kleinen Südsee-Eiland erforschen und ansonsten den typischen „Polynesian way of life“ kennenlernen. Er glaubt, dass das Leben wie Adam und Eva, was ihn und seine Frau dort erwartet sehr viel glücklicher und erfüllender ist, als das, was ihm die Alte Welt oder Amerika bieten kann.
Beim Fischfang auf dem offenen Meer mit seinen polynesischen Nachbarn, lernt Heyerdahl auf Fatu Hiva schon bald die immerwährenden starken östlichen Winde und Meeresströmungen kennen, die hier herrschen. Schon bald nagen in ihm Zweifel, ob die damals gängige Lehrmeinung wirklich richtig war, die eine Besiedlung der Inseln von Westen her aus Südostasien vertrat. Konnten sich die frühen Einwanderer wirklich mit ihren einfachen Booten zehntausend Kilometer gegen Wind und Wellen bis nach Polynesien vorangekämpft haben?
Und noch eine andere Beobachtung weckt seine Aufmerksamkeit. Auf antiken Felsmalereien entdeckt er Überlieferungen von Wasserfahrzeugen, die gar nicht so recht in die Region zu passen scheinen und ihn vielmehr an jahrtausendealte ägyptische Boote erinnern. Mit der Zeit findet er immer mehr Hinweise, die seine Skepsis gegenüber dem Dogma der Völkerwanderung „Out of Asia“ stützen. Auf einer seiner zahlreichen Entdeckungstouren sichtet er beispielsweise große Skulpturen, die denen vom Titicacasee zum Verwechseln ähnlich sehen.
Völkerwanderung aus Südamerika?
Schon bald entwickelt er auf Fatu Hiva auf der Basis polynesischer Sagen und indianischer Legenden die Vision, dass die Inseln im Pazifik von Südamerika aus besiedelt wurden. Doch noch ist es aus seiner Sicht zu früh für ein endgültiges Urteil. Seine Gedanken kreisen fortwährend um die zentrale Frage, an deren Beantwortung alles hängt: Waren die Menschen in Südamerika vor vielen Jahrhunderten bereits in der Lage, mit ihren primitiven Booten die Ozeane unsicher zu machen und nach Polynesien zu gelangen?
Er weiß, dass der Humboldtstrom, der vor der Küste Südamerikas verläuft, etwa auf der Höhe von Peru in Richtung offener Pazifik abdriftet. Diese Meeresströmung könnten die südamerikanischen Seefahrer damals genutzt haben, so seine Hypothese, um mit den üblichen Balsa-Flößen nach Polynesien zu kommen.
Ohne es zu wissen, hat Heyerdahl seine Lebensaufgabe gefunden – die Erforschung von frühen Wanderungsrouten des Menschen über die Ozeane. Der zweite Weltkrieg an dem er für Norwegen als Freiwilliger teilnimmt unterbricht seine Überlegungen nur kurz. Schon 1941 veröffentlicht er in „International Science“ (New York) erstmals die Grundzüge seiner Theorie, von der allerdings kaum jemand Notiz nimmt.
Ein Naturforscher auf Tingeltour
Doch Thor Heyerdahl lässt sich nicht entmutigen. „Polynesien wurde von Südamerika aus besiedelt“ – mit dieser provokanten These geht der Norweger schon bald nach Kriegsende auf Tingeltour durch Europa und Nordamerika. Auch jetzt will ihm niemand glauben, geschweige denn unterstützen. Ganz im Gegenteil man hält ihn für einen Spinner. Schließlich gilt es als völlig unmöglich, dass die Völker der Vor-Inkazeit mit ihren primitiven Wasserfahrzeugen erfolgreich den Pazifik bereisen konnten.
Heyerdahls Hinweis auf die bereits existierenden Balsaholz-Flöße entlockt den Wissenschaftlern allenfalls ein müdes Lächeln. Damit – so die gängige Meinung der Forscher – könne man allenfalls in Küstennähe herumschippern, aber niemals den gewaltigen Kräften der Natur auf hoher See trotzen…
Stand: 01.01.2003