Mitteleuropa vor 20.000 Jahren. Richtig kalt und ungemütlich ist es hier. Die Eiszeit strebt ihrem Höhepunkt entgegen. Zwar schieben sich die Gletscher dieses Mal von Norden und aus den Alpen kommend nicht ganz so weit vorwärts wie beim letzten Mal. Trotzdem sind auch auf den weiten Ebenen Stürme und Schneefälle an der Tagesordnung.
In den weiten Graslandschaften wimmelt es dennoch von Lebewesen. Zigtausende von Mammuts, Wollnashörnern oder Wisente bevölkern einzeln oder in Gruppen die Kältesteppen. Die modernen Menschen, die hier bereits seit einiger Zeit leben, spielen dagegen noch keine so große Rolle, die Neandertaler sind sogar längst von der Bildfläche verschwunden.
Gut 10.000 Jahre später hat sich das Szenario entscheidend verändert. Wärmer ist es geworden. Immer mehr Menschen bevölkern Mitteleuropa, viele der Eiszeitriesen dagegen sind mittlerweile ausgestorben oder kämpfen wie das Mammut ums Überleben. Wenig später ist auch das Ende dieser perfekt an die Kälte angepassten Großsäuger besiegelt.
Doch warum kam es zum Aussterben des Mammuts? Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Ausbreitung des Menschen und dem Exitus von Mammut und Wollnashorn?
„Overkill“ durch den Menschen?
Ja, sagen die Anhänger der so genannten „Overkill-Hypothese“ unter den Wissenschaftlern. Für Forscher wie Paul Martin, ehemaliger Professor der Geowissenschaften an der Universität von Arizona, waren es Menschen, die auf der Suche nach Nahrung, Waffen, Schmuck oder Feuermaterial in großem Stil Jagd auf die Mammuts machten. Mit der Zeit, so die Ansicht von Martin & Co. dezimierten sie die Tiere so lange, bis sie irgendwann ganz von der Erde verschwanden.
Gestützt wird diese These beispielsweise durch Computersimulationen von Wissenschaftlern der Universität von Kalifornien um John Alroy. Sie konnten nachweisen, dass viele Eiszeittiere schon rund 800 bis 1.600 Jahre nachdem eine erste „Vorhut“ der Menschheit Nordamerika erobert hatte, verschwanden. Nur ein Indiz?
Dass die aufkeimenden Menschenpopulationen – egal ob Neandertaler oder Homo Sapiens – Mammuts erlegen konnten, ist unter anderem durch Höhlenzeichnungen wie in Lascaux, Südwestfrankreich, bewiesen. Aber um einem Mammut Herr zu werden, mussten sie sich nach Ansicht von vielen Wissenschaftlern schon zu vielen zusammentun, Gruben bauen oder andere Tricks ersinnen. Waren sie mit ihren primitiven Waffen überhaupt in der Lage, die Eiszeitriesen in kürzester Zeit auszulöschen? Und warum starben vor acht- bis zehntausend Jahren weltweit auch andere Großsäuger aus, die dem Menschen zum Teil gar nicht als Nahrung dienten?
Wärme als Todesursache
Der Klimawandel war es entgegen deshalb die Kritiker der Overkill-Hypothese. Ihrer Meinung waren die Kälte liebenden Lebewesen mit ihren hochspezialisierten Anpassungen nicht in der Lage, sich schnell genug auf die steigenden Temperaturen einzustellen und gingen elendig zu Grunde.
Das wärmere und vermutlich feuchtere Klima sorgte nach dieser Theorie zudem dafür, dass sich die Vegetation veränderte. In vielen Regionen bildeten sich Moostundren und auch die Wälder dehnten sich {3r}mit der Zeit weiter aus. Sie traten an die Stelle der für die Weidetiere so wichtigen Graslandschaften der Steppen. Damit wurde die Nahrung immer knapper für Mammut & Co.
Nicht entweder oder sondern sowohl als auch
Doch auch diese Theorie ist nicht unumstritten. Wissenschaftler wie der Paläontologe Jeffrey Saunders, Kurator für Geologie am Staatsmuseum in Springfield, Illinois vermuten, dass erst mehrere Faktoren wie Jagd, plötzliche Umweltveränderungen und Klimawandel für das Massenaussterben vor rund 10.000 Jahren verantwortlich waren. „Ich persönlich glaube, dass die Natur das Gewehr geladen hat, und der Mensch hat auf den Auslöser gedrückt“, so Saunders in der Wissenschaftssendung nano von 3sat.
Stand: 27.01.2006