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Wenn Ratten oder Mäuse Katzenurin riechen, stellen sich bei ihnen die Nackenhaare auf und sie gehen in Abwehrstellung. Oft reicht allein dieser Duft schon aus, um die Nager sogar in die Flucht zu treiben. Das ist wenig verwunderlich, sind Katzen doch ihre größten Feinde.
Dennoch passiert es, dass manche Ratten und Mäuse keine Scheu vor dem Katzenpippi zeigen. Ganz im Gegenteil: sie fühlen sich davon sogar magisch angezogen. Schuld an diesem merkwürdigen Phänomen ist ein winziges Lebewesen, das in den so seltsam verhaltensgestörten Nagetieren haust: Toxoplasma gondii.
Untermieter in Katzen und Nagern
Dabei handelt es sich um einen Parasiten, der für sein Überleben und seine Fortpflanzung auf mindestens zwei andere Organismen oder Wirte angewiesen ist. Der Endwirt sind Katzen. Nur in den Epithelzellen ihres Darmes kann sich der urtümliche Einzeller sexuell fortpflanzen und seinen Entwicklungszyklus abschließen.
Als Zwischenwirte dienen dagegen neben dem Menschen, bei dem die Infektion meist folgenlos bleibt, Vögel oder eben Säugetiere wie Ratten und Mäuse. In diesen vermehrt sich Toxoplasma gondii durch eine Vielzahl ungeschlechtlicher Teilungen explosionsartig und reichert sich in Zysten etwa der Muskulatur oder des Auges an. Hier warten die Parasiten geduldig und hartnäckig darauf, dass ihr „Vermieter“ erbeutet wird und sie so an ihr Ziel, die Katze, gelangen.
Parasit greift in Hirnfunktionen ein
Doch was tun, wenn sich Ratte oder Maus von Natur aus partout nicht fressen lassen wollen? Und sogar sofort Reißaus nehmen, sobald sie eine Katze sehen oder ihren Urin riechen? Die Lösung ist ganz einfach: „Gehirnwäsche“. So nennt jedenfalls Ajai Vyas von der Stanford Universität im US-Bundesstaat Kalifornien das, was Toxoplasma mit seinem Zwischenwirt macht.
Vyas und seine Stanforder Kollegen haben vor ein paar Jahren den Kniff enthüllt, mit dem die Protozoen die Nager überlisten, ihnen ihren Willen aufzuzwingen und sie anschließend für ihre Zwecke missbrauchen. Wie die Forscher 2007 in den „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) berichten, entern die Einzeller schlicht und einfach das Gehirn der infizierten Mäuse und Ratten und greifen dort in bestimmte Hirnfunktionen ein.
Zu diesem Zweck sammeln sie sich in großen Mengen in einer Hirnregion an, die entscheidend an der Entstehung von Angst und Unbehagen beteiligt ist und auch bei der Analyse möglicher Gefahren eine wichtige Rolle spielt: die Amygdala, auch Mandelkern genannt. Wie genau die Toxoplasma-Zysten das Verhalten der Nagetiere dadurch auf den Kopf stellen, ist für die Wissenschaftler zurzeit noch ein Rätsel, sie wissen nur, dass sie es tun.
Keine Nebenwirkungen
Und die Parasiten gehen dabei nicht mit der Holzhammer-Methode vor. „Toxoplasma beeinflusst die Angst vor dem Katzengruch mit beinahe chirurgischer Präzision“, erklärt Vyas. „Eine ganze Menge anderer Verhaltensweisen dagegen bleiben intakt.“. Dazu gehören auch die Angst vor Hunden, stark duftenden Speisen oder offenen Räumen. Auch sonst zeigen sich keine Nebenwirkungen der „Behandlung“. Die manipulierten Tiere wirkten fit und gesund.
Für die betroffenen Ratten und Mäuse ist das jedoch im Prinzip unerheblich, denn sie leben meist nicht mehr lange genug, um etwas davon zu haben. Von Toxoplasma ferngesteuert suchen die Nager geradezu die Nähe von Katzen – ein baldiges Ende ist da vorprogrammiert.
Dieter Lohmann
Stand: 15.04.2011