„Eine Hand wäscht die andere.“ Diese Erkenntnis hat sich scheinbar auch bei Ameisen längst durchgesetzt. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass Symbiosen im Leben vieler Ameisenarten eine entscheidende Rolle spielen.
So produzieren „Ameisenpflanzen“, wie die Macaranga-Bäume in den Tropen, beispielsweise spezielle fett- und eiweissreiche Futterkörperchen oder Nektare, von denen sich Crematogaster-Ameisen bedienen. Als Ausgleich für diesen Beitrag zur Speisekarte halten die Ameisen den Baum von Pflanzenschädlingen frei und bekämpfen auch Pilze äußerst effektiv.
Ameisen melken Blattläuse
Aber nicht nur in Zentral- und Südamerika sind solche Partnerschaften zu finden, auch in heimischen Gefilden leben Ameisen häufig in Symbiosen.
Zum Beispiel die Schwarze Wegameise: Wie viele andere Ameisen ernährt sich auch die vier bis zehn Millimeter lange Gartenameise unter anderem vom Honigtau, den sie Blattläusen abluchst. Die von ihnen bevorzugten Blattläuse leben an Obstbäumen oder Beerensträuchern und schlürfen dort aus den Leitungsbahnen der Pflanzen zucker- und eiweissreiche Säfte.
Nur einen Bruchteil der aufgenommenen Nahrung verbrauchen die Blattläuse jedoch selber, der Rest wird über besondere Drüsen am Hinterteil wieder abgegeben. Das machen sich Tiere wie die Schwarze Wegameise zu Nutze und ernten dieses nährstoffreiche Sekret. Um an die kostbaren Ausscheidungen der Tiere zu kommen, betasten oder betrommeln sie den Hinterleib der Blattläuse, die daraufhin Tropfen des begehrten Honigtaus absondern.
Doch die Wegameise melkt ihre Blattläuse nicht nur regelmäßig, sie schützt sie im Gegenzug auch vor Feinden wie Marienkäfern, Schwebfliegenlarven oder Florfliegen. Und die Symbiose geht sogar noch einen Schritt weiter. Ähnlich wie Weidevieh, das nach und nach von einer Wiese zur anderen getrieben wird, tragen die Ameisen die Honigtauspender zu immer neuen Futterplätzen.
Im Herbst kommen die „Kühe“ der Ameisen beziehungsweise ihre Eier dann sogar in den „Stall“. Im Ameisennest überwintern sie ungestört und im Frühjahr, wenn die jungen Blattläuse geschlüpft sind, sorgen die Ameisen dafür, dass sie wieder auf eine satte Weide kommen.
Untermieter im eigenen Körper
Andere Ameisen haben sich im eigenen Körper „Untermieter“ zugelegt – zum Vorteil beider. Die Rossameise ist so ein Hauswirt, der vermutlich bereits vor Millionen von Jahren eine bestimmte Bakterienart bei sich aufgenommen hat.
„Besonders aufregend ist die Tatsache, dass sie (die Bakterien) auch in die Eizellen der Ameisen gelangen und dadurch ihre Verbreitung auf die künftigen Generationen sicherstellen“, sagt Professor Roy Gross vom Würzburger Biozentrum über die mit Escherichia coli eng verwandten Bakterien der Gattung Blochmannia. Der Name geht zurück auf den Zoologen Friedrich Blochmann, der schon vor mehr als 100 Jahren entdeckte, dass die Mikroorganismen im Verdauuungstrakt der Ameisen leben.
Unklar war bisher jedoch, welche konkreten Vorteile die beiden extrem ungleichen Partner aus dem Zusammenleben ziehen. Gross hat nun im Februar 2004 zusammen mit dem Soziobiologen Bert Hölldobler das Erbgut der winzigen Einzeller entschlüsselt und dabei wichtige neue Erkenntnisse über die Symbiose von Ameise und Bakterie erhalten.
Die Untersuchung der Gene ergab, dass die Rossameisen ihrem Partner wichtige Stoffwechselprodukte zur Verfügung stellen, die die Bakterien nicht selber synthetisieren können. Im Austausch dafür halten die Bakterien lebensnotwendige Aminosäuren für die Insekten bereit.
Symbiose führt zu Genverlust
Doch die enge Symbiose mit den Ameisen ist für die Bakterien nicht ohne Risiko. Wie Hölldobler und Gross in ihrer Studie entdeckten, haben die Mikroben im Laufe der gemeinsamen Evolution anscheinend zahlreiche Gene, die sie nicht mehr benötigten, „verloren“. Das Erbgut von Blochmannia besteht deshalb heute nur noch aus 581 Untereinheiten. Zum Vergleich: Das verwandte menschliche Darmbakterium Escherichia coli besitzt nach Angaben des Deutschen Human Genom Projekts 4.288 Gene. Ohne die Ameisen, so die Wissenschaftler, könnten die Blochmannia-Bakterien heute nicht mehr Überleben.
Stand: 30.04.2004