Eine neue Epoche war angebrochen. In Anbetracht der universellen Einsatzbarkeit des elektrischen Stroms war das Interesse an der unmittelbaren Nutzung der Wind- und Wasserkraft nahezu gänzlich verloren gegangen. Doch auch in jener Zeit, in der die Windenergie gänzlich aus der Mode zu kommen drohte, gab es immer wieder fortschrittliche Geister, die sich mit der Gewinnung von Strom aus Windenergie beschäftigten.
Zunächst wurde ein Handikap ausgeräumt, das die Windenergie bis zur Wende des letzten Jahrhunderts immer noch aufzuweisen hatte. In ihrem Betrieb waren die historischen Anlagen auf den aktiven Einsatz eines Betreibers angewiesen. Die neuen Entwicklungen zielten jedoch auf eine vollautomatische Umwandlung von Wind in Strom. Die amerikanische Westernmill wurde im neunzehnten Jahrhundert entwickelt und entsprach als erste in der Geschichte der modernen Windenergie den neuen Qualitätsansprüchen. Die Westernmill war nicht nur das erste industriell in Serie und vollständig aus Metall gefertigte Windrad; sie war auch die erste Windkraftanlage, die vollautomatisch und ohne jede Betreuung betrieben werden konnte.
In der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts wurde einer der Väter der modernen Windenergie geboren und legte – etwas später – in Dänemark den Grundstein für eine Entwicklung, die seine Heimat lange Zeit zum Weltmarktführer in Sachen Windkrafttechnologie machte – Poul la Cour.
Poul la Cour (1846-1907) war von Hause aus eigentlich Meteorologe, doch beschäftigte er sich bereits frühzeitig mit der Gewinnung von Strom aus Wind. Eine der ersten Windkraftanlagen, die noch viel Ähnlichkeit mit den historischen Windmühlen hatte, stellte er 1891 im dänischen Askor auf. Er nutzte die durch die Windkraft gewonnene Energie, um Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zu spalten und die Gaslampen der Volkshochschule zu betreiben. Dies tat er mit Erfolg – für den ortsansässigen Glaser. Da der gewonnene Wasserstoff noch Spuren von Sauerstoff enthielt, kam es zu Verpuffungen, denen das Fensterglas des öfteren nicht standhalten konnte.
Aber auch im restlichen Europa schlief man nicht, was die Weiterentwicklung der Windenergie anging. Seit der Jahrhundertwende wurde kontinuierlich an dem Thema weitergearbeitet. Im Jahre 1904 errichtete man an der Universität Göttingen einen Windkanal, seit 1911 wurde in Oxford an der aerodynamischen Verbesserung der Blattprofile für Rotorblätter gearbeitet – die ursprünglich die Leistung der historischen Mühlen verbessern sollten. Seit dem Anfang der Wende zum zwanzigsten Jahrhundert trieb man in Deutschland die Entwicklung windbetriebener Mühlen voran, die zur Stromerzeugung im Leistungsbereich von zehn bis 100 Kilowatt dienen sollen und jetzt „Konverter“, Umwandler, genannt wurden.
Stellte der zweite Weltkrieg in Deutschland einen Einbruch in der Weiterentwicklung der Windenergie dar, so wurde nach dessen Beendigung die Forschung rasch wieder aufgenommen. In den fünfziger Jahren – im selben Jahrzehnt wurde die Ausübung des Mühlenhandwerks per Gesetz verboten – entwickelte der Weimarer Professor Hütter mit Unterstützung der Bundesregierung mehrere Anlagen im Leistungsbereich von 100 Kilowatt, um abgelegene Standorte, sogenannte „Inselstandorte“, mit Strom zu versorgen. Doch für einen zukunftsträchtigen Einsatz der Windenergie war konventioneller Treibstoff in dieser Zeit einfach zu billig. Bei Literpreisen um die acht Pfennig entsprach es eher dem Zeitgeist, sich bei der Wahl der Energiequelle auch an den entlegensten Orten für Dieselaggregate zu entscheiden, die jederzeit per Knopfdruck die gewünschte Energie lieferten.
Stand: 06.04.2000