Das zentrale Problem ostdeutscher Städte bleibt jedoch die Schrumpfung. Handlungsbedarf gibt es fast überall. Lediglich Berlin, Leipzig, Dresden, Jena, Potsdam und Rostock profitieren noch vom Zuzug. „Am stärksten schrumpfen jene Städte, die eine zentrale Rolle in der DDR-Industrie spielten und zu diesem Zweck quasi aus dem Boden gestampft wurden, zum Beispiel Bitterfeld, Eisenhüttenstadt, Schwedt und Guben“, sagt Georg Schiller, der am IÖR zu Infrastruktur und demografischem Wandel forscht.
Seit der Wende haben diese Städte deutlich über 20 Prozent ihrer Einwohnerzahl eingebüßt. Gleichzeitig wurden die Siedlungsflächen weiter ausgedehnt. So entstanden nach der Wende vielerorts Einfamilienhaussiedlungen; diese Zersiedelung macht Infrastrukturleistungen teurer. Viele Gemeinden haben das Problem inzwischen erkannt: Das Anwerben neuer Einwohner für Häuschen auf der grünen Wiese ist inzwischen ein Auslaufmodell.
Schwund auch in westdeutschen Kommunen
Ein rein ostdeutsches Problem ist die Schrumpfung jedoch nicht. Auch in Westdeutschland gibt es immer mehr Regionen, deren Einwohnerzahl sinkt. Dessen werden sich die wachstumsorientierten Städte und Gemeinden erst langsam bewusst. Während vielerorts weiter Neubauflächen für Wohnungen und Gewerbe erschlossen und Infrastrukturen ausgebaut werden, zeigen sich im Siedlungsbestand – etwa den Wohngebieten der 1950er bis 1970er Jahre – zunehmend Probleme mit Leerständen.
„Infrastruktur und Bevölkerungsentwicklung koppeln sich immer weiter voneinander ab“, stellt Andrea Dittrich-Wesbuer vom Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung (ILS) in Dortmund fest. Das bringt Kommunen in finanzielle Nöte. Vor allem investitionsaufwändige Infrastrukturen sind bei sinkenden Einwohnerzahlen ein Kostentreiber, die Rohre des Abwassersystems etwa nehmen bei geringer Nutzung Schaden durch Ablagerungen. „Viele Kanalnetze sind zudem in die Jahre gekommen und der Instandhaltungsbedarf steigt“, warnt Dittrich-Wesbuer.
Zuzügler als „Raumpioniere“
Die Forscherin empfiehlt den Gemeinden deshalb, sich konsequent auf den Siedlungsbestand zu konzentrieren: Sanierungsberatung und Bestandsmanagement statt „Neubauprämien“. Eine Strategie, die im Umgang mit der schrumpfenden Bevölkerung zumindest mittel- und langfristig Kosten sparen dürfte und zugleich hilft, die Attraktivität von Städten und Gemeinden zu bewahren.
Und so gibt es sie doch, die demografische Chance: zuziehende Rentner, de eine lange dem Niedergang preisgegebene Stadt wie Görlitz revitalisieren; Städter, die in ländliche Regionen im Umland ziehen – dauerhaft oder auch nur jedes Wochenende. Als „Raumpioniere“ bezeichnet Gabriela Christmann vom IRS die Neuen im Dorf. Neben ihrer Lust aufs Land bringen sie häufig auch kulturelle Angebote und belebende Geschäftsideen mit aus der Stadt. So profitieren auch die Dörfer von den Städtern, beobachtet Christmann: „Sie bringen Schwung in die Dorfgemeinschaft.“
Wiebke Peters / Leibniz Journal
Stand: 15.03.2013