Fleischfressende Pflanzen gelten als Überlebenskünstler, denn ihre Ernährung beruht nicht nur auf einer Selbstversorgung durch die Photosynthese und das Nutzen von Nährstoffen aus dem Boden. Die Möglichkeit tierisches Eiweiß zu verdauen, macht sie aber auch zu Nahrungskonkurrenten von tierischen Genossen.
Der Kampf um begrenzte Ressourcen ist fundamentaler Bestandteil eines jeden Ökosystems. Gerade an Standorten mit extremen Umweltbedingungen – wie nährstoffarmen Böden – kommt es zu Streitigkeiten. Überschneiden sich die Speisepläne zweier Tierarten und gibt es nicht genug Nahrung für beide, kommt es zum Beispiel zum Konkurrenzkampf. In der Pflanzenwelt findet analog meist der Kampf um den besten Sonnenplatz statt. Derjenige, der am besten an seine Umgebung angepasst ist, überlebt und pflanzt sich fort.
In Konkurrenz mit Achtbeinern
Bei fleischfressenden Pflanzen kommt es noch zu anderen Konflikten: Gleitfallen, Klebefallen und Saugfallen von karnivoren Pflanzen ermöglichen ihnen die Jagd nach tierischer Nahrung wie Insekten oder kleine Reptilien. Aber die Insektenjagd funktioniert nicht immer, denn sie stehen unüblicherweise in einer Nahrungskonkurrenz mit Tieren – wie insektenfressenden Spinnen zum Beispiel.
Und die Methoden der Tiere stört die passive Jagd der grünen Fleischfresser: Einige Spinnenarten haben es beispielsweise geschafft, den Fangapparat von Kannenpflanzen (Nepenthes) nicht nur zu überleben, sondern sogar für sich zu nutzen. Statt in die Kanne zu fallen und verdaut zu werden, spinnen sie im oberen Teil der Fallgrube ihr Netz. Damit schnappen sie der Pflanze die herabfallenden Insekten weg, bevor diese in die Verdauungsflüssigkeit fallen.
Und damit noch nicht genug: Ein Forscherteam um Jason Rohr von der University of South Florida in Tampa entdeckte, dass auch fleischfressende Pflanzenarten wie der Sonnentau (Drosera) in Konflikt mit Spinnen stehen. An den klebrigen Schleimhärchen der Sonnentau-Blätter bleibt die Beute kleben, um dann verdaut zu werden. Wolfsspinnen, die sich auch von Insekten ernähren, bauen dagegen trichterförmige Netze, um ihre Beute festzuhalten. Die Höhe, die Sonnentaupflanzen erreichen, stimmt mit der Höhe überein, an denen die Spinnen ihre Netze bauen.
Damit stehen beide in direkter Konkurrenz um die gleiche Beute. Die Forscher beobachteten, dass Wolfsspinnen ihre Netze zwar in weiterer Entfernung vom Sonnentau bauten, aber dennoch erstaunlich große Netze anlegten. Das hat zur Folge, dass den unbeweglichen Pflanzen mehr Insekten entgehen und ihnen damit nachweislich wichtige Nährstoffe fehlen, wie Laborversuche ergaben. Die Sonnentaugewächse bilden folglich weniger Blüten aus und produzieren seltener Samen. Für Rohr ist das ein Indiz für eine nachlassende Fitness der Pflanzen.
Sonnentau als Nistplatz
Und Konkurrenz kann auch zum Parasitismus werden: Brasilianische Schwebfliegen nutzen die Klebefallen des Sonnentaus, um ihre Larven zu ernähren, berichten Forscher um Andreas Fleischmann von der Botanischen Staatssammlung München. Die Larven leben auf den glitzernden Klebeblättern der Fleischfresser, an denen üblicherweise die Beute der Pflanzen festklebt.
Untersuchungen der Wissenschaftler zeigten, dass sich die Larven problemlos im Kleber bewegen können und die Beutetiere des Sonnentaus fressen, ohne selbst verdaut zu werden. Der Fliegennachwuchs verbringt die gesamte Larvenzeit an den Blättern, bis er sich schließlich auf der Blattunterseite verpuppt.