Aebischer, Hickisch, Mararv und Simpson wollen nun 17.600 Quadratkilometer des Chinko-Beckens in ein Biosphärenreservat verwandeln. Mararv hatte das Land für seine Jagdfirma auf 15 Jahre vom Staat gepachtet. Das Management soll von CAWA auf eine NGO namens „Chinko Nature Management“ übergehen. Trotz der Turbulenzen in dem Bürgerkriegland ist es den Chinko-Aktivisten gelungen, das Projekt von der neuen Rebellenregierung anerkennen zu lassen. „So einfach geben wir nicht auf“, hat sich Aebischer geschworen.
Das Reservat soll in drei Zonen gesplittet werden: im Zentrum eine menschenleere Kernzone, die vor allem Zufluchtsstätte für Elefanten sein soll, eingerahmt von einer Pufferzone mit einfachen Straßen und Furten für Patrouillen, rundherum eine wirtschaftlich genutzte Zone von 11.700 Quadratkilometern für Trophäenjagd und Safaritourismus. Vor allem die Jagd mit strikten Abschussquoten soll das nötige Geld einbringen. Auf 872.750 Euro hat das Quartett den Finanzbedarf bis 2016 beziffert, um das Biosphärenreservat zum Leben zu erwecken.
Jagdtourismus muss mit ins Boot
Naturschutz, Forschung und Jagdtourismus müssen unter einen Hut. Den Menschen am Rande des Chinko soll die Idee mit hunderten weiteren Jobs schmackhaft gemacht werden und so das Wildern ausgetrieben werden. Schon jetzt ist Mararvs Business der wichtigste Arbeitgeber in der Region. Allein die Präsenz von Jagdsafariunternehmen schaffe Kontrolle und verringere die wahllose Wilderei, glaubt Aebischer. Die zwei Forscher sind keine Verehrer großer Kaliber und protziger Trophäen, denken aber pragmatisch: „Der Nutzen durch die Jagd ist größer als der Schaden.“
Alle Menschen raus aus dem Chinko und Zaun drum, das funktioniere leider nicht. Wichtig seien strikte Abschussquoten, Nachhaltigkeit eben. CAWA beteuert, die Wildbestände laufend zu erfassen und jährlich nicht mehr als zwei Prozent zum Abschuss freizugeben. Anderswo würden Lizenznehmer Jagdgebiete binnen zehn Jahren leerschießen lassen. Zur Jagdethik gehöre auch, dass es keine Jagd vom Auto aus gebe und Mutter- wie Jungtiere geschont würden.
Brücke zu anderen Naturreservaten
Ein Chinko-Schutzgebiet wäre nicht nur ein wichtiges Rückzugsgebiet für das Überleben von Waldelefanten, Wildhunden oder Löwen, sondern auch ein Verbindungsstück zu anderen Resten urwüchsiger Natur wie dem Southern National Park im Südsudan, Zakouma im Tschad oder Garamba in der Demokratischen Republik Kongo – und ein Zeichen gegen die Massaker an Afrikas letzten Waldelefanten.
An Nationalparks in Zentralafrika herrscht zwar kein Mangel, die meisten existieren aber nur auf dem Papier. Seit ihrer Schaffung hat sich kein Mensch mehr um die „Paper Parks“ gekümmert – obwohl manche der Parks als Weltnaturerbe gelten. Für Aebischer und seine Mitstreiter bietet Chinko die seltene Gelegenheit, „ein noch funktionales Ökosystem mit noch großen Populationen von Wildtieren und Pflanzen zu schützen“. Trotz Rebellion und Wilderei sind die Ausgangsbedingungen nicht übel. Denn in dem anvisierten Reservat gibt es keine Dörfer und damit keine Konkurrenz zwischen Landwirtschaft und Wildlife.
No-Go-Zone für Pauschal-Touristen
Für den landläufigen Safaripauschaltouristen, der mit gezückter Kamera im klimatisierten Allradcar sonst durch den sauber asphaltierten südafrikanischen Krüger Nationalpark cruist, wird die Gegend auf absehbare Zeit eine No-Go-Zone bleiben. Dafür fehle es im Chinko an einer „stabilen politischen Situation, funktionierender Infrastruktur und Konzentration von Großwild“, meint Aebischer – sprich: einer bühnenartigen Präsenz riesiger Gnuherden wie in der Serengeti oder gelangweilter Löwen, die sich selbst an einer Wagenburg Landrover um sie herum nicht stören.
Der völlig entlegene Chinko ist eher etwas für den zeitgenössischen Ernest-Hemingway mit dickem Scheckbuch, Jagdzeitschriftenabo und gutgeführtem Impfpass. Thierry Aebischer wird auch nochmal den Expeditionsrucksack schnüren. Er hat die urige Gegend und ihre Artenvielfalt zum Thema seiner Doktorarbeit gemacht. Arbeitstitel: „Evolutive Prozesse und die biologische Vielfalt am Beispiel des heterogenen Wald-Savannen-Mosaiks Zentralafrikas.“ Kommenden Januar will er wieder in den Chinko aufbrechen. Ein paar zoologische Fragen sind noch offen.
Kai Althoetmar
Stand: 11.10.2013