Faltung ist im wahrsten Sinne des Wortes der Schlüssel zum Erfolg. Ohne die korrekte Faltung könnte das Schlüssel-Schloss-Prinzip nicht funktionieren. Auch der Zugang zu bestimmten Zellen bliebe den Proteinen ohne den „richtigen Schlüssel“ verwehrt.
Zwar hat ein Protein nach der Zusammensetzung durch verschiedene Aminosäuren schon alle seine molekularen Komponenten erhalten, doch damit allein ist das Protein noch nicht einsatzfähig: Die Kette aus Aminosäuren muss sich zunächst so falten, dass das Protein eine bestimmte räumliche 3D-Struktur erhält. Ohne diese Struktur kann es bestimmte Funktionen nicht ausüben und es kann auch nicht von anderen Molekülen erkannt werden.
Struktur ist der Schlüssel zum Schloss
Welche Rolle die Struktur für die Funktion eines Proteins spielt, wird besonders deutlich beim bekannten Schlüssel-Schloss-Prinzip der Enzymreaktionen. Enzyme katalysieren chemische Reaktionen in der Zelle, indem Substrate an ihr aktives Zentrum binden, einer Region, in der bestimmte Aminosäuren die katalytischen Reaktionen ausführen. Das aktive Zentrum ist so spezifisch geformt, dass nur die Substrate daran binden können, deren Faltung ihnen die passende Form gegeben hat.
Dieses Prinzip findet aber nicht nur bei Enzymen Anwendung, sondern auch in der Hormonregulation. Hormone zirkulieren durch unsere Blutbahn, um in spezifischen Zellen Funktionen auszuüben. Dafür binden sie an Rezeptoren auf der Zelloberfläche, die aus Proteinen bestehen. Die Hormone haben eine spezifische räumliche Struktur, die ihnen das Andocken nur an bestimmten Rezeptoren erlaubt. Zum Beispiel kann das weibliche Geschlechtshormon Östrogen nur an Östrogenrezeptoren binden, welche sich auf der Zelloberfläche von Organen wie der Gebärmutter oder den Eierstöcken befinden.
Struktur als Erkennungsmerkmal
Freund oder Feind? Diese Frage ist vor allem für Proteine wie den Antikörpern wichtig zu beantworten. Antikörper erkennen schädliche Erreger an ihrer Oberflächenstruktur und rekrutieren daraufhin weitere Teile des Immunsystems. Die Oberflächenstruktur von körpereigenen Zellen wird von den Antikörpern hingegen als „friedlich“ erkannt und die Zellen werden nicht angegriffen.
Wie immens wichtig die Erkennung von Oberflächenstrukturen ist, zeigt sich bei Menschen mit Autoimmunerkrankungen. Diese produzieren Antikörper, die gegen körpereigene Zellen gerichtet sind und die Oberflächenstruktur von Proteinen erkennen, die eigentlich wichtig für unseren Körper sind. Anders herum verhält es sich bei den Escape-Strategien der Krebszellen. Normalerweise werden Krebszellen von unserem Immunsystem als solche erkannt und unschädlich gemacht. Doch manche Krebszellen präsentieren auf der Oberfläche Strukturen, die sie als „ungefährlich“ markieren, und können sich so ungehindert im Körper verbreiten.