Astronomie/Kosmologie

Quantentunnel und negative Energien

Die aktuellen Hypothesen zum Big Bounce

Neue Hypothesen zu einem „Big Bounce“-Übergang des Universums haben in den letzten drei Jahren gleich zwei Forschergruppen entwickelt. Beiden gemeinsam ist, dass sie einen Übergang postulieren, bei dem das Universum zwar maximal klein ist, aber nicht zur Singularität wird.

Tunneln
In der Quantenwelt können Teilchen eine Aufenthaltswahrscheinlichkeit auch jenseits einer Barriere haben – durch diesen Tunneleffekt können sie die Barriere durchdringen, ohne sie überwinden zu müssen. © fredmantels/ iStock.com

Durch den Übergang getunnelt

Die erste Hypothese stammt von Neil Turok vom Perimeter Institute in Ontario und Steffen Gielen vom Imperial College London. Sie gingen von der Prämisse aus, dass sich Materie im stark komprimierten Kosmos im Prinzip wie Strahlung verhält. Tatsächlich sprechen kosmologische Modelle dafür, dass in den ersten zehntausenden Jahren nach dem Urknall die Bedingungen so extrem waren, dass noch keine Materie kondensieren konnte – die Energie lag im Wesentlichen als Strahlung vor.

Auf gleiche Weise könnte der Kosmos auch nach der starken Kontraktion am Ende seines Zyklus zu einem solchen strahlendominierten Gebilde werden. Unter diesen Bedingungen wäre es möglich, dass das Universum quasi durch den Übergang hindurchtunnelt. „Wir haben festgestellt, dass das Universum glatt durch die Singularität hindurchgeht und an der anderen Seite herauskommt“, sagt Turok.

Das Universum als Quantenteilchen

Dieses Tunneln ist ein in der Quantenwelt durchaus gängiges Phänomen: Weil der Zustand von Elementarteilchen von Wahrscheinlichkeiten regiert wird, kann sich ein Teilchen rein theoretisch sowohl diesseits als auch jenseits einer Wand aufhalten – ohne sie physikalisch durchdringen zu müssen. Auf ähnliche Weise könnte auch das extrem komprimierte Universum wie ein Quantenteilchen reagieren und die Barriere der Singularität passieren. „Die Unschärfe von Raum, Zeit und Materie machen es unsicher, wo sich das Universum zu einem gegebenen Zeitpunkt aufhält – das erlaubt es ihm, die Singularität zu durchtunneln“, erklärt Turok.

Im Modell funktioniert dieses Tunneln des komprimierten Universums schon recht gut – allerdings nur für eine stark vereinfachte, idealisierte Version des Kosmos, wie die Forscher einräumen. „Die Fälle, die wir lösen können, sind nur sehr einfache Universen“, berichtet Gielen im „Scientific American“. Ob das Ganze auch für komplexere Universen wie das unsrige funktioniere, müsse man erst noch testen.

Skalarfeld
Verhinderte ein exotisches Skalarfeld die Singularität? © gemeinfrei

Exotisches Feld als Übergangshelfer?

Die zweite Hypothese geht von einem Übergang aus, der auch ohne Hilfe der Quantenphysik die Singularität umschifft. Paul Steinhardt und Anna Iljas von der Princeton University postulieren dafür die Existenz eines Skalarfelds – eines Einflusses, der verhindert, dass das kritische Stadium der Singularität eintritt. Diese exotische Form der negativen Energie soll demnach kurz vor diesem Punkt die erneute Expansion einleiten und so den kompletten Kollaps vermeiden.

„An einem Punkt während oder kurz nach dem Übergang wird dann die kinetische Energie, die in den Skalarfeldern gespeichert ist, wieder in die Strahlung und Materie umgewandelt, die wir beobachten“, erklären Steinhardt und Iljas in ihrem Fachartikel. Auf diese Weise sei ein Big Bounce möglich, ohne dass man Eigenheiten der Quantentheorie benötigt oder eine Singularität eintritt. Alleedings: Ob es ein Skalarfeld in Form einer negativen Energie gab und wie dieses bisher nicht nachgewiesene Feld zustande kommt, ist bislang unklar.

Keine Belege nirgends

Fakt ist: So spannend dies Hypothesen sein mögen – bisher bleiben alle Modelle und Szenarien zum „Big Bounce“ und einem zyklischen Universum reine Theorie. Keines von ihnen lässt sich mit heutigen Mitteln und Methoden überprüfen oder gar belegen. Und ob dies in Zukunft jemals möglich sein wird, ist ebenfalls ungeklärt. Insofern bleibt die Frage vorerst offen, ob unser Urknall wirklich einmalig und der Anfang von allem war.

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Big Bounce statt Big Bang
War der Urknall wirklich der Anfang von allem?

Das Urknall-Problem
Warum der Big Bang Fragen aufwirft

Übergang statt Uranfang?
Was für und gegen ein zyklisches Universum spricht

Der umgestülpte Ballon
Quantenschleifen und ein "Urprall"

Quantentunnel und negative Energien
Die aktuellen Hypothesen zum Big Bounce

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