Gängiger Lehrmeinung nach entstehen größere Planeten dort, wo die Urwolke genügend Materie zur Verfügung stellen kann. Nur dann reicht der Nachschub an Gas und Staub aus, um allmählich immer größere Brocken und schließlich Planeten zu bilden.
Warum Planet 9 so exotisch ist
Genau an diesem Punkt bereitet der hypothetische Planet 9 den Astronomen Probleme. Denn mit einer Sonnenentfernung von im Mittel 700 astronomischen Einheiten kreist er weit jenseits der Zone, in der die Urwolke genügend Material für größere Planeten aufwies. Mit gängigen Planetenbildungsmodellen ist nur schwer erklärbar, wie ein Planet in eine so ferne und exzentrische Umlaufbahn geraten konnte.
Hinzu kommt, dass der Planet einer Modellsimulation zufolge ähnlich aufgebaut sein müsste wie der Neptun: Planet 9 wäre demnach ein Eisriese mit einem festen Kern, der zu einer Hälfte aus Eisen und Gestein und zur anderen Hälfte au Wassereis besteht. Die äußere Eisschicht ist von einer dichten Gashülle aus Wasserstoff und Helium umgeben. Eine solche Gashülle kann dieser Planet aber nur dann akquiriert haben, wenn er lange genug im dichteren, gasreicheren Innenbereich der Urwolke gebildet wurde.
Entstand er vor Ort?
Ausgehend von diesen Faktoren diskutieren Astronomen zurzeit drei mögliche Szenarien für die Entstehung von Planet 9. Im ersten wurde der Planet vor Ort gebildet, besaß aber zunächst noch eine reguläre, nahezu kreisförmige Umlaufbahn in der Planetenebene. Erst durch die nahe Passage eines Nachbarsterns wurde er dann in seine heutige exzentrische, geneigte Bahn umgelenkt.
Für dieses „in Situ“-Szenario müsste die Urwolke unserer Sonne allerdings ausgedehnter und langlebiger gewesen sein als es aktuelle Modelle vorsehen. Denn nur dann hätte ein großer Planet genügend Zeit, um so weit von der Sonne entfernt sowohl festes Material als auch Gas um sich zu sammeln. Dem widersprechen allerdings Indizien dafür, dass sich der solare Gasnebel schon rund vier Millionen Jahre nach seiner Entstehung auflöste.
Hinzu kommt, dass unser Sonnensystem zwar einige nahe Begegnungen mit vorbeiziehenden Sternen gehabt haben könnte. Wenn aber Planet 9 schon damals sehr weit außen kreiste, wäre er von den resultierenden Turbulenzen aber eher ganz aus dem System gerissen worden. Astronomen beziffern die Wahrscheinlichkeit für dieses Szenario daher auf maximal zehn Prozent.
Gedränge unter stellaren Geschwistern
Auch beim zweiten Szenario spielen andere Sterne eine entscheidende Rolle – Geschwister der jungen Sonne. Wie die meisten Sterne entstand sie wahrscheinlich gemeinsam mit weiteren Jungsternen in einer Sternenwiege, möglicherweise war sie sogar einst Teil eines Doppelsternsystems. Durch galaktische Gezeitenkräfte wurde der junge Sternhaufen dann jedoch auseinandergerissen und die stellaren Geschwister getrennt. Eines davon haben Astronomen bereits in 184 Lichtjahren Entfernung aufgespürt.
Doch bevor es zur Trennung der jungen Sterne kam, könnte die Sonne Planet 9 von einem ihrer Geschwister akquiriert haben, wie ein Team um Alexander Mustill von der schwedischen Lund Universität postuliert. Ihren Simulationen zufolge hätte der Planet dafür schon in einem sehr weiten Orbit um diesen Nachbarstern kreisen müssen – möglicherweise wurde er zuvor schon durch Schwerkraftturbulenzen nach außen gedrängt.
Ein eingefangener Exoplanet?
Als sich dann die junge Sonne im dichten Gedränge des Sternhaufens bis auf gut 150 astronomische Einheiten annäherte, zog ihre Schwerkraft diesen Außenplaneten in ihr System. Den Berechnungen des Teams zufolge kommt es für sonnenähnliche Sterne in Jungsternhaufen in fast 80 Prozent der Fälle zu solchen nahen Begegnungen. „Unsere Sonne nutzte dann die Chance und stahl ihn von seinem Heimatstern. Als sie dann den Sternhaufen verließ, blieb Planet 9 im jungen Sonnensystem gefangen“, erklärt Mustill.
Die Astronomen beziffern die Wahrscheinlichkeit für dieses Einfang-Szenario auf nur rund ein Prozent, dennoch halten sie diesen Fall für durchaus denkbar. Indizien für einen solchen extrasolaren Ursprung könnten die Bahnen noch zu entdeckender Kuipergürtel-Objekte liefern. Denn wenn der Planet einst eingefangen wurde, dann müssen auch weitere, kleinere Objekte mit ihm ins Sonnensystem gezogen worden sein – und sie müssten sehr ähnlichen Bahne folgen wie heute Planet 9.
Es gibt allerdings noch ein drittes, deutlich wahrscheinlicheres Szenario….