Es muss ein gewaltiger, monatelang währender und gleißend heller Lichtblitz gewesen sein, den unsere frühen Vorfahren vor rund einer Million Jahren am Nachthimmel wahrgenommen haben. Damals leuchtete eine nahe Supernova zwischen den Sternen der Konstellation Corona Australis – Südliche Krone – am Firmament auf, einem Sternbild, das nur von der »anderen« Seite der Erde aus sichtbar ist.
In jener fernen Zeit explodierte die massereiche Komponente eines Doppelsternsystems und entließ dabei ihren blau leuchtenden Begleiter, den sehr heißen Stern Zeta Ophiuchi, ins All. Sein detonierter Partner selbst brach in einen Zustand ultradichter Materie zusammen und entfernte sich seinerseits immer weiter vom Ort der kosmischen Katastrophe.
Vor zehn Jahren wurden die Astronomen erstmals auf die ungewöhnliche Quelle aufmerksam. Mit dem deutschen Röntgensatelliten Rosat stießen sie auf ein in diesem sehr energiereichen Licht hell strahlendes, optisch aber nicht sichtbares Objekt. Das an den Forschungen beteiligte deutsch-amerikanische Forscherteam vermutete bald, einen einsam durchs All ziehenden Neutronenstern gefunden zu haben, einen nur stadtgroßen, aber sonnenschweren Sternenrest.
Vier Jahre später fanden andere Astrophysiker exakt an der Stelle, von der das Röntgenlicht stammte, mit Hubble nun endlich auch einen winzigen lichtschwachen Punkt von 26ster Sterngröße – das ist 20milliardenmal schwächer als der Stern Wega. Was sie hier sahen, war der gesuchte »Neutronenstern«, RX J1856.5-3754. Mit einer Distanz von rund 200 Lichtjahren liegt er näher bei uns als jeder andere Repräsentant dieser exotischen Familie.
Und er nähert sich immer noch: Die Messungen zeigen, dass er einer der schnellsten Sterne am Himmel ist. Alle 5.400 Jahre legt er den scheinbaren Durchmesser des Mondes zurück. Das scheint wenig, doch umgerechnet auf die Distanz ergibt sich daraus eine Geschwindigkeit von 389.000 Stundenkilometern!
Für uns allerdings kein Grund zur Besorgnis – dieser tote Stern ist kein »Todesstern«. In rund 300.000 Jahren wird er mit sehr sicheren 170 Lichtjahren seinen geringsten Abstand von der Erde erreichen, am Sonnensystem vorbeiziehen und sich wieder in fernere Regionen verkrümeln. Die Ortsverschiebung jener verendeten Sonne ist bereits deutlich auf drei Hubble-Bildern zu erkennen, die im Zeitraum von nur vier Jahren zwischen 1996 und 1999 aufgenommen wurden. Der temporeiche Stern treibt auch eine verdichtete Bugwelle von interstellarem Gas vor sich her, die im Herbst 2000 mit dem Very Large Telescope der Eso entdeckt wurde.
Doch das blau leuchtende, an der Oberfläche unglaubliche 700.000 Grad heiße Objekt birgt noch ein anderes, besonders verblüffendes Geheimnis. Die Kombination von Chandra- und Hubble-Daten zeigt nämlich, dass dieser abgestorbene Stern nur etwas über elf Kilometer groß ist. Das aber ist zu wenig für einen Neutronenstern! Genau damit beginnt deshalb das Rätselraten und eine fantastische Astro-Story.
Stand: 19.09.2002