Obwohl Astronomen inzwischen Hunderte von Kometen kartiert und ihre Bahnen berechnet haben, tappen sie in einem entscheidenden Punkt noch immer im Dunkeln: dem Ursprungsort der eisigen Weltraumwanderer.
Lange Zeit galt die Oortsche Wolke, eine gewaltige Hülle aus Eis, Staub und Gesteinsbrocken, die das Sonnensystem jenseits der äußersten Planeten wie eine Kugelschale umgibt, als alleiniger Ursprungsort aller Kometen. Nach einer 1950 vom niederländischen Astronomen Jan Hendrik Oort aufgestellten Hypothese dient sie als Kometenreservoir.
In ihr bewegen sich die Kometen normalerweise langsam in ihren Bahnen, bis sie durch äußere Einflüsse gestört werden. Mögliche Störenfriede wären interstellare Gaswolken oder auch die Bewegungen benachbarter Sterne. Wandern sie nahe genug an der Oortschen Wolke vorbei, könnten einige der Kometen durch Schwerkrafteinflüsse so stark abgelenkt werden, dass ihre neue Bahn sie durch das innere Sonnensystem führt und sie so zu den periodischen Kometen werden.
Kuipers Theorie
Diese Hypothese stimmte zwar gut mit den bisherigen Erkenntnissen zu den langperiodischen Kometen überein, deren Bahnen zufällig verteilt und teilweise sehr stark gegen die Planetenbahnen geneigt sind. Auf kurzperiodische Schweifsterne wie den Halleyschen Kometen oder Wild-2 passte sie jedoch nicht. Schon 1951 schlug daher der amerikanische Astronom Gerard Kuiper eine alternative Lösung für diese Kometengruppe vor: Seiner Ansicht nach musste es ein zweites, näher an der Sonne liegendes Kometenreservoir geben, dass sich wie ein Ring aus eisigen Materietrümmern nahe der Neptunbahn erstreckt.
Da die Auflösung auch der stärksten Teleskope lange Zeit nicht ausreichte, um die lichtschwachen Objekte in einer solchen Entfernung auszumachen, blieb es zunächst bei der Theorie. 1988 jedoch konnten kanadische Astronomen mithilfe von Computerberechnungen zeigen, dass die Bahnen der kurzperiodischen Kometen tatsächlich gut mit der Existenz eines solchen Kuipergürtels zu erklären wären. Ihren Berechnungen zufolge könnten sich 100 Millionen bis sogar 10 Milliarden Kometenkerne in diesem Ring aufhalten.
Erst in den 1990er Jahren konnten leistungsstärkere Teleskope erstmals bis ins Kuipergürtelgebiet blicken und entdeckten im vorher als leer geltenden Raum tatsächlich Himmelskörper – Kuipers Theorie war bestätigt. Inzwischen sind zahlreiche weitere dieser so genannten transneptunischen Objekte (TNO), eisige Weltraumbrocken von mehr als 100 Kilometern Durchmesser, beobachtetet worden, Astronomen schätzen ihre Zahl in dem Areal zwischen 30 und 50 astronomischen Einheiten von der Sonne entfernt auf mindestens 70.000. Kleine Kometenkerne lassen sich zwar nach wie vor nicht direkt beobachten, doch es scheint kaum mehr Zweifel darüber zu geben, dass auch sie dort in großer Zahl vorhanden sein müssen.
Sogar der Pluto mit seinem Mond Charon könnte angesichts der neuen Funde im Kuipergürtel in einem ganz neuen Licht erscheinen: Schon lange rätseln Astronomen über den Ursprung dieses eisigen Doppelgespanns. Möglicherweise, so nun eine neue Theorie, ist Pluto gar kein Planet, sondern ein ursprünglich zum Kuiperbelt gehörender und jetzt in eine Planetenbahn eingeschwungener ruhender Riesenkomet…
Stand: 06.12.2002