Phänomene

Rätsel um die Wurzeln des Tees

Wie der Tee zur Nutzpflanze wurde

Klar scheint: Irgendwann haben die Menschen in China damit begonnen, den wilden Tee gezielt zu züchten und in eine Nutzpflanze umzuwandeln. Doch wann diese Domestikation von Camellia sinensis stattfand und von wem, ist alles andere als eindeutig.

Camellia sinensis
Von der Teepflanze Camellia sinensis existieren heute niur noch Kultursorten und ihre verwilderten Abkömmlinge. © Kristian Frisk/CC-by-sa 2.0

Kein wilder Tee mehr

Eines der Probleme dabei: Im Gegensatz zu vielen anderen Kulturpflanzen existieren vom Tee heute keine echten Wildformen mehr. Zwar gibt es einige wildwachsende Teevarianten, diese sind nach Ansicht vieler Biologen aber nur verwilderte Nachkömmlinge von einst kultivierten Teepflanzen. Der echte Wildtee ist dagegen höchstwahrscheinlich ausgestorben.

Diese Tatsache erschwert es Wissenschaftlern, den Werdegang des Tees anhand von DNA-Vergleichen zu rekonstruieren. Sie können nicht einfach die genetischen Unterschiede zu Wildsorten nutzen, um den Zeitpunkt der Domestikation zu ermitteln. Stattdessen müssen sie dies aus subtilen Unterschieden zwischen den heute existierenden rund 1.500 Teesorten schließen.

Zwei Hauptäste

Aus solchen DNA-Vergleichen geht hervor, dass der Stammbaum von Camellia sinensis drei Hauptäste besitzt: Als erstes trennten sich die chinesische Variante von C. sinensis von der Assam-Variante ab. Währen der chinesische Tee vor allem im Hochland gedeiht und kleinere Blätter besitzt, wächst C. sinensis var. assamica besonders gut im sumpfigen Tiefland Südchinas und Südostasiens. Diese Sorte ist die Grundlage unter anderem für den kräftig schmeckenden, dunklen „Ostfriesentee“.

Teegenom
Teegenom im Überblick. Die farbigen Diagramme kennzeichnen unter anderem Kopienzahlen und Gendichten sowie Querverbindungen. © Chaoling Wie et al. / PNAS, doi: 10.1073/pnas.1719622115

Doch es gibt noch ein zweites Problem: Das Genom des Tees ist komplex und weit umfangreicher als das der meisten anderen Nutzpflanzen. Mit gut drei Milliarden Basenpaaren ist es beispielsweise viermal größer als das Erbgut der Kaffeepflanze. Hinzu kommt, dass die DNA-Abfolge des Tee-Genoms sehr viele Genkopien enthält, die die Rekonstruktion der korrekten DNA-Sequenz erschweren. Unter anderem deshalb ist das Genom des Assam-Tees erst 2017, das des China-Tees sogar erst im Jahr 2018 vollständig entschlüsselt worden.

Die große Spaltung

Erst dadurch konnten Wissenschaftler ermitteln, wann genau sich die beiden Hauptlinien des Tees voneinander trennten. Die Genvergleiche sprechen dafür, dass sich diese beiden Varianten schon vor mindestens 22.000 Jahren trennten – lange bevor der Mensch ins Spiel kam. Eine zweite Studie kam sogar auf eine Abspaltung schon vor 380.000 bis 1,5 Millionen Jahren. Damit könnte es diese beiden Tee-Unterarten schon gegeben haben, bevor sich der Homo sapiens entwickelte.

Das jedoch bedeutet: China-Tee und Assam-Tee waren schon klar verschieden, bevor sie erstmals gezielt kultiviert und gezüchtet wurden. Die Domestikation des Tees muss daher mindestens zweimal unabhängig voneinander stattgefunden haben – einmal mit dem Hochlandtee und einmal mit dem Assam-Tee.

Assam-Tee
Schwarzer Tee aus Assam-Teepflanzen ist wegen seines kräftigen Geschmacks vor allem in Norddeutschland beliebt. © AnthiaCumming/ iStock.com

Streit um den Assam-Tee

Weit umstrittener ist allerdings eine weitere Verzweigung. Denn von der Assam-Variante existieren heute zwei geografisch und genetisch getrennte Untervarianten, eine chinesische mit Schwerpunkt in der Provinz Yunnan und eine indische mit Anbaugebieten vor allem im Nordosten Indiens. DNA-Vergleichen zufolge müssen sich diese beide Linien erst vor rund 2.770 Jahren getrennt haben und damit zu einer Zeit, als der Tee in China bereits domestiziert war – so jedenfalls die Ansicht einiger Forscher.

Sie gehen davon aus, dass der Assam-Tee zuerst in China kultiviert wurde und dann im Rahmen des Tauschhandels oder mit Auswanderern nach Nordindien gelangte. „Nur weil es drei getrennte Genpools gibt, heißt das nicht, das es auch drei unabhängige Domestikationen gab“, sagt der Pflanzengenetiker Jonathan Wendel von der Iowa State University in einem Beitrag in „Nature“. Immerhin liegt Yunnan nur rund 1.000 Kilometer von Assam entfernt und damit durchaus im Bereich früher Handelsbeziehungen und Migrationsbewegungen.

Doch es gibt auch Forscher, die von einer dritten, unabhängigen Domestikation der indischen Assam-Variante ausgehen. Sie stützen sich unter anderem auf historische Aufzeichnungen des Schotten Robert Bruce, der im Jahr 1823 Assam bereiste. Dort, so berichtet er, ernteten die Menschen des Singpho-Volks Blätter von wildwachsendem Tee und verzehrten diese teils als Gemüse und teils als fermentiertes Getränk. Die Singpho könnten demnach „ihren“ Wildtee auch unabhängig von der chinesischen Assam-Variante kultiviert haben.

Welches Szenario stimmt, wird sich vielleicht zeigen, wenn Wissenschaftler auch die kompletten Genome dieser beiden Assam-Unterarten entschlüsselt haben. Noch ist dies in Arbeit.

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Gesundmacher Tee
Moderne Forschung an einem alten Getränk

Von China in die Welt
Die Anfänge der Teekultur

Rätsel um die Wurzeln des Tees
Wie der Tee zur Nutzpflanze wurde

Die Inhaltsstoffe
Was macht den Tee so gesund?

Grüner Tee gegen Krebs?
Der Tee-Inhaltsstoff EGCG und seine Wirkung

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