Leichte Beute waren die Pflanzenfresser der Jura- und Kreidezeit sicher nicht: Die Hörner eines Triceratops oder die Schwanzkeule eines Ankylosauriers konnten auch einem großen Raubsaurier schwere Verletzungen zufügen. Das weisen rare Fossilfunde der Fleischfresser nach, die Spuren solcher Konfrontationen zeigen. Seit jeher haben die Kämpfe zwischen Giganten der Urzeit die Fantasie der Dinofans beflügelt – und nicht zuletzt auch die Darstellung der „Schreckensechsen“ beeinflusst.
Wenig Erfolg beim Angriff auf ausgewachsene Beute
Ob es sich um einen Tyrannosaurus rex handelt, der einen Hornsaurier erlegt, oder um ein Rudel Allosaurier auf der Jagd: Raubsaurier werden nicht selten als perfekte Mordmaschinen im Kampf mit wehrhaften Beutetieren gezeigt. Doch wie häufig kam es zu solchen Auseinandersetzungen auf Leben und Tod? Wohl eher selten, vermutet Privatdozent Dr. Oliver Rauhut von der Ludwig-Maximilians-Universität München.
„Wir glauben sogar, dass die großen Raubsaurier nur im Ausnahmefall ausgewachsene Beutetiere jagten“, sagt der Paläontologe, der am Department für Geo- und Umweltwissenschaften der LMU und in der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie tätig ist. „Denn die sehr wenigen fossilen Beweise von Angriffen auf große Tiere zeugen alle von Misserfolgen: Die Pflanzenfresser entkamen oder beide Tiere wurden getötet. Möglicherweise sind die Attacken auf ausgewachsene Beutetiere unerfahrenen jungen Raubsaurieren zuzuschreiben.“
Jungtiere auf dem Speiseplan
Wovon ernährten sich dann die Theropoden, die gewaltigen zweibeinigen Raubsaurier wie Tyrannosaurus rex? Oliver Rauhut und sein Mitarbeiter Dr. David Hone, der mittlerweile am chinesischen Institut für Wirbeltierpaläontologie und Paläoanthropologie in Peking arbeitet, haben die Daten bereits bekannter Fossilfunde unter diesem Gesichtspunkt ausgewertet und kamen zu einem überraschenden Schluss: Auf dem Menü der Raubsaurier standen in erster Linie wohl Jungtiere. Denn in versteinerten Magenresten und Koproliten, also fossiliertem Kot, fanden sich Knochenreste von noch nicht ausgewachsenen Beutetieren, die zum Teil wohl sogar vollständig verschluckt wurden.
„Tatsächlich gehen wir davon aus, dass Tyrannosaurus rex und die anderen großen Theropoden in erster Linie als Babykiller unterwegs waren“, so Oliver Rauhut. Das ist kein ungewöhnliches Verhalten, wie der Vergleich mit heutigen Raubtieren zeigt. Auch Krokodile und die Großkatzen der Welt jagen bevorzugt junge, alte, schwache oder kranke Tiere. Denn große ausgewachsene Exemplare könnten mit ihrer Gegenwehr auch dem Räuber gefährlich werden. „Bei Jungtieren aber trägt das Raubtier ein vergleichsweise geringes Risiko, sich zu verletzen“, berichtet Oliver Rauhut.
Susanne Wedlich, Magazin Einsichten / LMU München
Stand: 03.12.2010