Zunächst scheint nach Edwin Hubbles Entdeckung der komischen Expansion und weiterführenden Studien wieder alles halbwegs geordnet: Die stetige Ausdehnung des Universums macht die von Einstein ohnehin ungeliebte Konstante in seinen Feldgleichungen überflüssig und auch der Zeitpunkt des Urknalls ist nun ungefähr bekannt. Doch Ende der 1990er machen Astronomen eine Entdeckung, die Grundfesten des kosmologischen Weltbilds erneut erschüttert.
Supernovae als Messlatten
Den Anstoß dazu geben zwei Projekte, mit deren Hilfe Forschende die Expansionsrate noch genauer bestimmen wollen als zuvor. Dafür suchen die Teams um Saul Perlmutter vom Lawrence Berkeley National Laboratory und um Brian Schmidt von der Australian National University nach Supernova-Explosionen Weißer Zwerge in fernen Galaxien, sogenannten Supernovae des Typs 1a. Weil diese eine bekannte maximale Helligkeit aufweisen, eignen sie sich besonders gut als kosmische Entfernungsmesser. Kombiniert mit ihrer Rotverschiebung lässt sich daher an ihnen die kosmische Expansion gut messen.
Perlmutter, Smith und ihre Teams erwarten bei ihren Vermessungen ein bestimmtes Ergebnis. Denn nach der damals gängigen Vorstellung hat sich die Ausdehnung des Universums nach ihrem frühen, schnellen Anfang verlangsamt. Doch die jahrelangen Auswertungen der beiden Teams ergeben genau das Gegenteil: Mindestens 50 weit entfernte Sternenexplosionen sind lichtschwächer als sie sein dürften. Demnach kann die Expansion in diesen früheren Zeiten nicht schneller abgelaufen sein als heute.
Die kosmische Expansion wird schneller?!
Für die Astronomen kommt dieses Ergebnis völlig überraschend: „Die Kette der Analysen war so lang und das Universum kann so täuschen, dass wir anfangs unseren eigenen Resultaten nicht glauben wollten“, schreibt Perlmutter später in einem Artikel. Aber selbst nach mehrfachem Wiederholen der Auswertungen und einer Suche nach möglichen Fehlerquellen bleiben die Ergebnisse gleich. Ihnen zufolge hat sich die Ausdehnung des Kosmos nicht mit der Zeit verlangsamt, sondern ist seit etwa sechs Milliarden Jahren schneller geworden.
Aber wie kann das sein? Dieses Ergebnis scheint jeder physikalischen Logik zu widersprechen. Denn allein schon die anziehende Wirkung der Gravitation aller Materie müsste als Bremse für die Ausdehnung des Alls wirken. Die beschleunigte Expansion ist daher ähnlich unerwartet wie ein die Höhe geworfener ein Ball, der, statt zur Erde zurückzufallen, einfach immer weiter in den Himmel fliegt.
1998 veröffentlichen beide Astronomenteams ihre Ergebnisse und machen die Sensation perfekt. „Diese Funde transformieren unsere Sicht des Universums und stellen fundamentale, neue Fragen für die Physik“ kommentiert das Fachmagazin „Science“ und kürt die Resultate beider Forschergruppen prompt zum Durchbruch des Jahres 1998. 2011 erhalten die drei maßgeblich beteiligten Astronomen, Saul Perlmutter, Brian Schmidt und Adam Riess, für ihre Entdeckung der beschleunigten Expansion den Nobelpreis für Physik.
Einsteins Konstante und die Dunkle Energie
Mit der Entdeckung der beschleunigten Expansion kommt auch Einsteins ungeliebte kosmologische Konstante λ wieder ins Spiel. Nach Hubbles Entdeckung des sich vermeintlich stetig ausdehnenden Alls war sie überflüssig geworden und Einstein hatte sie daher gut 50 Jahre zuvor aus seinen Gleichungen gelöscht. Jetzt fügen seine Nachfolger sie wieder ein. Durch sie lässt sich die beschleunigte Expansion mit dem kosmologischen Standardmodell vereinbaren. Zumindest mathematisch liefert sie damit eine Lösung des Beschleunigungsproblems.
Aber kosmologisch bleibt ein großes Fragezeichen: Was treibt diese rätselhafte Beschleunigung der kosmischen Ausdehnung an? Erklärbar ist dieses Phänomen eigentlich nur durch einen Gegenspieler der Gravitation. Irgendetwas muss der anziehenden und damit bremsenden Wirkung der Materie entgegenwirken – aber was?
Aus Mangel an Erklärungen taufen Kosmologien dieses Etwas einfach „Dunkle Energie„. Aber was sie ist und wie sie genau wirkt, ist bis heute ungeklärt. Es gibt zwar Dutzende von Hypothesen dazu, aber beobachten oder identifizieren lässt sich diese geheimnisvolle Kraft bisher nicht. Klar scheint nur, dass diese Dunkle Energie rund 70 Prozent der Energiedichte unseres Universums ausmacht. Sie hat damit den größten Anteil in der „Rezeptur“ unseres Universums – und ist uns dennoch vollkommen unbekannt.