Zunächst lief die Wiederansiedelung der Urwildpferde nur schleppend an. Denn vor allem im Schutzgebiet Gobi B war die Todesrate unter den freigesetzten Pferden extrem hoch. Obwohl über 100 Pferde freigelassen worden waren, zählten die Forscher 2003 nur noch 63 Tiere im Schutzgebiet. Aber warum? Waren Raubtiere schuld? Oder eine Krankheit? Um das herauszufinden, sammelten die Wissenschaftler die Kadaver der gestorbenen Przewalski ein und unterzogen diese einer gründlichen Untersuchung.
Parasit schwächte Wildpferde
„Nach Untersuchungen der verendeten Tiere stellte sich heraus, dass viele Tiere an Piroplasmose, einer von Zecken übertragenen Infektionskrankheit starben“, erklärt Wildtierarzt Walzer. Der Biss der Zecke überträgt einzellige Parasiten, sogenannte Babesien, in den Körper der Pferde. Diese vermehren sich in den Roten Blutkörperchen und zerstören diese dabei. Ist das Tier geschwächt – beispielsweise durch Kälte oder Hunger – bekommen die Babesien die Überhand und die Krankheit bricht aus. Die betroffenen Pferde leiden an Fieber, sind schwach und blutarm und fressen kaum mehr. Im Extremfall können sie an einem Lungenödem oder tödlichen Schock sterben. „Diese Erkrankung konnten wir aber mit einer vorbeugenden Behandlung unter Kontrolle bringen“, sagt Walzer. Eine Impfung schwächt den Verlauf der Infektion ab und verhindert den Ausbruch der Krankheit.
Vielversprechende Anfänge in Hustai Nuuru und Ungarn
Deutlich weniger Startschwierigkeiten hatte ein zweites Projekt, das Przewalski-Pferde im Nationalpark Hustai Nuuru, 100 Kilometer südwestlich von Ulan-Bator, auswilderte. Zwischen 1992 und 200 wurden hier 84 Wildpferde angesiedelt, 2005 hatte sich ihre Zahl bereits auf mehr als 200 Tiere vermehrt.
Auch in Europa leben mittlerweile wieder Przewalski-Pferde nahezu frei in der Steppe: Im ungarischen Nationalpark Hortobagy läuft ebenfalls seit einigen Jahren ein Wideransiedlungs-Projekt, unterstützt vom Kölner Zoo. Angefangen mit einem Hengst und drei Stuten, trafen auch dort nach und nach weitere Tiere aus europäischen Zoos ein und wurden in der ungarischen Puszta eingewöhnt. Obwohl die an das Leben im Zoo gewöhnten Tiere zunächst Schwierigkeiten hatten, vermehrten sie sich und inzwischen lebt hier mit mehr als 200 Tieren die größte Herde von Przewalski-Pferden in Mitteleuropa.
Die Wildpferde von Tschernobyl
Eher kurios mutet eine weitere Auswilderung von Przewalskis an: 1998 wurden in der radioaktiv verseuchten Sperrzone von Tschernobyl 31 Wildpferde freigelassen. Weil diese Region für Menschen noch immer gesperrt ist, hat die Natur hier weite, einst landwirtschaftlich genutzte Gebiete zurückerobert. Für die Pferde entstand so ein idealer Lebensraum. 2003 hatten sich die Pferde von Tschernobyl bereits auf 65 Tiere vermehrt.
2011 allerdings schlugen ukrainische Forscher Alarm. Denn der Bestand war auf nur noch 30 bis 40 Tiere zurückgegangen. Schuld daran ist aber nicht etwa die radioaktive Strahlung der Sperrzone, wie die Wissenschaftler berichten, sondern wieder einmal der Mensch: Wilderer sollen die Pferde abgeschossen haben, um zu Fleisch zu kommen. „Die Menschen in dieser Region der Ukraine sind sehr arm”, erklärte Tim Mousseau von der University of South Carolina gegenüber der BBC Nature. „Der Zugang zu billigem Pferdefleisch ist für viele sehr verlockend.”
Tatsächlich haben ukrainische Forscher bereits mehrere Pferdekadaver mit Schusswunden in der Sperrzone gefunden. Ändert sich nichts, könnte die Ära der Wildpferde von Tschernobyl daher schon bald wieder zu Ende sein.
Nadja Podbregar
Stand: 27.09.2012