Ein Artenschutz-„Hotspot“, wo Tiger, Leopard und Rothund gemeinsam vorkommen, ist Periyar. Für AJT Johnsingh ist der Nationalpark ein beispielhaftes Rothund-Habitat. 2013 sah er dort einmal 19 Wildhunde, die sich am Seeufer über eine Sambar-Hirschkuh hermachten. „Ein Wildschwein stand im Wasser und sah zu“, erinnert sich Johnsingh. „Später wurde auch das Wildschwein gejagt, vielleicht spielerisch, dann rannte es in den Wald davon“.
Der Ökologe schätzt die Population rund um den Periyar-See auf etwa hundert Individuen – eine Bastion für den Rothund-Genpool in Südindien. Die Rothunde, meint Hayward, profitierten sehr vom Artenschutz für Tiger und Leopard, die für Indien „Arten im Brennpunkt“ seien. Vor allem die Einrichtung der Tigerschutzgebiete, begonnen mit dem Project Tiger 1973, dürfte die Art auf dem Subkontinent vor dem Kollaps bewahrt haben.
„Artenschutz-Symbiose“
Tiger und Wildhunde gehen so nolens volens eine Artenschutz-Symbiose ein, obwohl die beiden Arten sich spinnefeind sind. Wo es in Indien Rothunde gibt, sind zumeist auch Tiger und Leopard unterwegs. Die Koexistenz mit Tiger und Leopard ist an und für sich kein Problem. „Die drei haben sich über etliche tausend Jahre gemeinsam entwickelt“, sagt Rothund-Forscher Acharya. Die drei Raubtierarten gehen sich innerhalb eines Habitats räumlich und zeitlich eher aus dem Wege.
Trotzdem werden Wildhunde ab und an Opfer von Leopard oder Tiger. Zugleich, das schreiben Johnsingh und Acharya in dem Standardwerk „Mammals of South Asia“, einer Bestandsaufnahme der Säugetiere Südasiens, gelinge es ihnen aber oft, Leoparden von deren Riss zu vertreiben, zuweilen sogar Tiger. Johnsingh weiß von Fällen, dass einzelne Rothunde Tiger in die Flucht geschlagen haben – wobei der Tiger dann offenbar ein Rudel im Anmarsch wähnte.
{2r}
Abhängig von der gleichen Beute
Matt Hayward hat die Koexistenz des Trios in einer Feldstudie zuletzt mit Kollegen des Wildlife Institute of India in Dehradun wissenschaftlich untersucht. Seine wichtigste Erkenntnis: „Das Nahrungsspektrum von Rothunden überlappt sich in hohem Maße mit dem von anderen Vertretern aus Asiens Riege großer Prädatoren“, berichtet der 44-jährige Biologe. „Und damit bedeutet jeder Schwund von Beutetieren ein erhöhtes Risiko für sie.“
Zwei Drittel der Beute von Rothunden machen, gemessen in Biomasse, Sambar- und Axishirsch sowie Wildschweine aus. Allein 38 Prozent entfielen auf den Sambarhirsch. Hin und wieder, vor allem in der Trockenzeit, fressen die Tiere auch Aas, vor allem vom mächtigen Wildrind Gaur und vom Asiatischen Elefanten. Asiens große Beutegreifer, schreibt Hayward in seiner Studie, seien damit viel stärker von wenigen Beutetierarten abhängig, als dies in Afrika der Fall ist, wo sich Löwe, Gepard, Leopard, Afrikanischer Wildhund, Tüpfelhyäne und andere Fleischfresser bei der Futterwahl viel stärker spezialisiert hätten.
Alle drei Arten des asiatischen Trios benötigten große Habitate, sagt Hayward, „und der Rückgang verfügbarer Beute erhöht die Lebensraumansprüche aller Arten“. Eine Vergrößerung der Lebensräume ist in Indien, wo der Mensch immer mehr Fläche in Beschlag nimmt, aber kaum realistisch. Und das heißt: Wo das Wildern von Sambarhirsch, Axishirsch und Wildschweinen durch Menschen nicht unterbunden wird, werden Rothund, Tiger und Leopard nicht satt und vergreifen sich am Vieh. Das wiederum löst Vergeltungstötungen durch aufgebrachte Dörfler aus – der Teufelskreis schließt sich dann.
Kai Althoetmar
Stand: 09.09.2016