Der Quantencomputer soll einige Probleme, an denen herkömmliche Rechner Monate oder Jahre knabbern würden, sehr viel schneller lösen. Etwa große Zahlen in Primfaktoren zerlegen – eine Rechenoperation, mit deren Hilfe Banken elektronische Geldgeschäfte verschlüsseln. Im Quantencomputer werden nicht mehr Transistoren rechnen, sondern Quantenbits, kurz Qubits: Atome, Moleküle, Photonen – oder generell Teilchen, für die die Gesetze der Quantenmechanik relevant sind.
Schneller wird der Quantenrechner, weil sich eine Gruppe dieser Teilchen nicht so verhält, wie wir es nach unserem Weltbild erwarten. Zwei Photonen etwa werden zu einem quantenmechanischen System, wenn sie miteinander verschränkt sind. Sie sind dann nicht mehr unabhängig voneinander und können entweder beide rechts oder beide links polarisiert sein. Das heißt: Ihre Lichtwellen drehen sich nach links oder nach rechts. Welche der beiden Richtungen sie wählen entscheiden sie erst, wenn jemand hinguckt, ihre Schwingungsrichtung also misst – bis zu diesem Moment entspricht die Wahrheit einer Überlagerung der beiden Möglichkeiten.
„Das ist nur für unser westliches Weltbild ein Problem“, sagt Tobias Schätz, dessen Quantensimulator mit einer Kette verschränkter Ionen arbeiten soll: „Der Dalai Lama hat damit kein Problem.“ Seinem Weltbild liegt das Prinzip des Yin und Yang zugrunde: Nichts ist ausschließlich gut oder böse. In der Physik heißt das Prinzip Superposition – ohne das ein Quantencomputer undenkbar ist. Für zwei verschränkte Photonen bedeutet es, sie können gleichzeitig zwei Nullen und zwei Einsen kodieren – und in diesen beiden Kanälen auch rechnen. Ein System aus Tausend Qubits könnte also tausend Rechnungen parallel ausführen. Eine solche Rechenoperation könnte darin bestehen, die Schwingungsebenen von Photonen mit Lasern oder Filtern gezielt zu beeinflussen.
Ablesung als Problem
Doch es gibt ein Problem: Nach der Rechnung müssen sich die Ergebnisse der parallelen Prozesse auch ablesen lassen. Leider unterwerfen sich verschränkte Teilchen dabei doch dem westlichen Weltbild. Sobald ein Physiker die Polarisation zweier verschränkter Photonen misst, müssen sich diese auf links oder rechts festlegen. In vielen Fällen gehen die Ergebnisse der anderen Rechenkanäle daher verloren. Nicht in allen aber: Physiker haben Messvorschriften ausgeklügelt, um mehr als ein Ergebnis aus den parallelen Rechnungen festzuhalten – große Zahlen ließen sich so tatsächlich deutlich schneller in einzelne Faktoren zerlegen.
Auch ein weiteres Problem des Quantenrechnens scheint lösbar: Ein quantenmechanischer Zustand ist eine sehr flüchtige Angelegenheit. Er bleibt oft nur Bruchteile einer Sekunde erhalten. Die Quantenrechnung muss also in einem Augenblick abgeschlossen sein. Inzwischen erzeugen Laser jedoch Pulse, die noch tausend- oder millionenmal kürzer sind als die Lebensdauer vieler Zustände, die für den Quantencomputer interessant sind. Da Laser die Schritte einer Quantenrechnung steuern, können sie theoretisch schon Tausende von Rechenoperationen an einem quantenmechanischen Zustand abarbeiten.
Mehrere sind einfacher als eines
Ignacio Cirac, Direktor am Max-Planck-Institut für Quantenoptik, und seine Mitarbeiter haben einiges dazu beigetragen, wie sich die theoretische Beschreibung von Quantenzuständen mehrerer Qubits vereinfachen lässt. So haben sie etwa die PEPS geschaffen. Das Akronym steht für projected entangled pair states. Statt den tatsächlichen Zustand einer Gruppe von Teilchen zu ermitteln, schaffen die Physiker ein Modell dieses Zustands: Sie nehmen an, jedes Teilchen des realen Systems sei aus mehreren Teilchen zusammengesetzt, wie ein Neutron aus mehreren Quarks aufgebaut ist. Zusammen bestimmen die Quarks die Eigenschaften des Neutrons. Im Falle der PEPS wählen sie als Bausteine verschränkte Paare. Diese sind mathematisch einfacher zu handhaben als die realen Teilchen.
Dieses Modell könnte nicht nur Quantenrechnungen vereinfachen, auch Festkörperphysiker dürften mit ihm manche ihrer Probleme besser lösen können. Sie betrachten meist sehr komplexe Systeme, die aus unzähligen Teilchen bestehen. Die Modelle, mit denen sie diese derzeit beschreiben, versagen dabei oft, zum Beispiel wenn sie die Hochtemperatur-Supraleitung erklären wollen. PEPS könnten ihnen da helfen.
Stand: 17.11.2006