Zur Arbeit der österreichischen Wissenschaftler am Inyltschek-Gletscher gehört zunächst die Analyse der aktuellen Situation. Mit einer Methode, die sich ERT nennt, Electrical Resistivity Tomography, haben sie nun schon einmal den Untergrund im Tal des nördlichen Inyltscheks untersucht, und zwar im Vorland der noch aktiven Gletscherzunge des abschmelzenden Gletscher-Stroms. Dabei wird entlang eines Profils zwischen einhundert Elektroden eine elektrische Ladung aufgebaut. Gemessen wird dann der elektrische Widerstand, der wiederum Rückschlüsse auf das Material und den Schichtaufbau des Untergrunds erlaubt.
Dabei wird entlang eines Profils elektrischer Strom in den Boden eingeleitet und die Potentialdifferenz an 100 Elektroden gemessen. Der elektrische Widerstand erlaubt dann Rückschlüsse auf das Material und den Schichtaufbau des Untergrunds.
Überraschung im Gletschervorland
Bei diesem Blick in den Untergrund haben die Wissenschaftler in diesem Sommer eine interessante Entdeckung gemacht. „Wir haben erwartet“, so Häusler, „dass wir hier Eislinsen haben und dann sehr bald auf einen Untergrund kommen, der von den Bergen her aufgefüllt worden ist, mit feinkörnigem Schutt, Mergelstein, Kalkstein.“ Da dort zeitweise ein Gletschersee existiert, gingen die Wissenschaftler davon aus, im Untergrund auch abwechselnd Eis und See-Sedimente zu finden.
Doch schon die ersten Auswertungen der geoelektrischen Messungen vor Ort brachten etwas ganz anderes zutage. Zwischen zehn und fast 40 Metern Tiefe liegt unter dem graubraunen, von tausenden Pfützen überzogenen schlammigen Boden ein riesiger zusammenhängender Toteis-Körper. Dabei handelt es sich um nicht mehr aktives Eis, das aber einst zum Gletscher gehörte. Irgendwann wurde es abgerissen, von Schutt bedeckt und dann im Untergrund bis heute konserviert.
Wasser nagt am Toteis
Dies erkläre auch die Oberfläche im Vorland des nördlichen Inyltschek, so Häusler: „Die Moränen – also die Blöcke und das Feinmaterial, ein schluffiges, feinsandiges Material, das der Gletscher da zurück gelassen hat – zeigen eine wellige Oberfläche mit vielen, vielen Kratern, kleinen Seen, und Aufplatzungen, wo feines Material heraufkommt und große Blöcke, auch kubikmetergroße Blöcke einfach im Untergrund verschwinden.“
Die Wissenschaftler haben auch schon eine ziemlich genaue Vorstellung, wie die bizarre Landschaft entstanden sein könnte: Warmes Wasser rinnt in den Untergrund, das verschüttete Eis beginnt punktuell zu schmelzen. Dort wiederum sackt Material von oben nach, so dass tiefe Krater entstehen. „Dieses Phänomen“, so Häusler, „haben wir in verschiedenen Stadien gesehen und können das jetzt ganz eindeutig interpretieren.“
Für das große Ganze
Wichtig sind die Erkenntnisse deshalb, weil die Wiener Wissenschaftler den Gletscher künftig auch mit Fernerkundungsmethoden untersuchen möchten. Da sie jedoch nicht jeden Quadratkilometer selbst begehen und vermessen können, sind sie darauf angewiesen, die Satellitendaten richtig zu interpretieren. Dazu müssen sie allerdings wissen, wie bestimmte Landformen, die sie auf Satellitenbildern erkennen, tatsächlich im Detail aussehen.
Hier im Vorland des nördlichen Inyltschek haben sie nun eine Referenz für all jene Flächen, die sich auf den Satellitenbildern ähnlich darstellen.
Stand: 30.10.2009