In Deutschland ist ein Einsatz von embryonalen Stammzellen am Menschen nicht erlaubt. Viele deutsche Forscher setzen deshalb auf „induzierte Pluripotente Stammzellen“, kurz iPS, die ähnliche Eigenschaften wie embryonale Stammzellen aufweisen. Vor wenigen Jahren war es japanischen Wissenschaftlern gelungen, Hautzellen in eine Art Urzustand zurückzuversetzen. Dazu schleusten sie bestimmte Steuerungsgene ein. Durch diese genetische Manipulation wurde in der Zelle das embryonale Programm wieder eingeschaltet. So entstanden „induzierte Pluripotente Stammzellen“.
Ein großer Vorteil dieses Verfahrens: Es lassen sich speziell auf den jeweiligen Patienten angepasste iPS-Zellen erzeugen. Allerdings birgt die Methode noch Risiken, weil für das Einschleusen der Gene Viren benötigt werden. Forscher des Fraunhofer-Instituts für Zelltherapie und Immunologie IZI haben nun ein Verfahren entwickelt, um patientenspezifische, individualisierte Stammzellen aus Körperzellen zu gewinnen, ohne Viren einzusetzen oder die Zellen genetisch zu verändern. Diese iPS-Zellen zeigen die typischen Eigenschaften von embryonalen Stammzellen.
Schweißdrüsen als Zellquelle
Die Abteilung „Zelluläre Biotechnologie“ der Fraunhofer-Einrichtung für Marine Biotechnologie EMB in Lübeck arbeitet an schonenden Verfahren zur Isolierung von adulten Stammzellen aus tierischem und humanem Gewebe. Die Forscher konzentrieren sich dabei vor allem auf glanduläre Stammzellen, die sie aus exokrinem Drüsengewebe, der Bauchspeicheldrüse, der Unterzungenspeicheldrüse und aus Schweißdrüsen isolieren. Diese glandulären Zellen verfügen über hervorragende Wachstumseigenschaften, sind sehr langlebig, lassen sich als dreidimensionale organoide Körper kultivieren und ohne Einbußen ihrer Vitalität kryokonservieren. Die Zellen wollen die Forscher zum Beispiel auch nutzen, um innovative Therapien zur Hautregeneration zu erproben.
In einem experimentellen Mausmodell für Vollhautverletzungen beschleunigen solche Zellen die Wundheilung, verbessern die Restrukturierung der Haut und verstärken die Neubildung von kleinen Blutgefäßen. „Dadurch, dass es gelungen ist, Schweißdrüsen als Zellquelle zu identifizieren, können wir mit Zellen arbeiten, die auch für mögliche Therapien leicht gewonnen werden können“, erklärt Professor Charli Kruse, Standortleiter der Lübecker Einrichtung.
Eine Fabrik für Stammzellen
Dank der weltweit intensiven Forschung rückt der Einsatz von Stammzellen in der Klinik langsam näher. Um Stammzellen aber standardisiert in höchster Qualität zur Verfügung stellen zu können, bedarf es neuer, automatisierter Verfahren – ähnlich der Tissue-Fabrik. Fraunhofer arbeitet hier an ersten Ansätzen. So wollen Forscher des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnologie IPT in Aachen gemeinsam mit ihren Kollegen vom Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin, der RWTH Aachen, der Universität Bonn sowie den Unternehmen Life & Brain, Bayer Technology Services GmbH und HiTec Zang eine standardisierte Produktion von iPS-Zellen für Pharmatests aufbauen.
In dem EU-Verbundprojekt HYPERLAB arbeiten Wissenschaftler koordiniert vom Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik IBMT in St. Ingbert gemeinsam mit acht europäischen Partnern an neuartigen, berührungsfreien Automatisierungstechniken zur Kultur, Expansion und Differenzierung von reprogrammierten, embryonalen oder adulten Stammzellen. „Ziel ist es, mittels neuer High-Through-put-Ansätze neue Faktoren und Medien für Stammzellen zu finden“, sagt Professor Heiko Zimmermann vom IBMT.
Neue Therapieansätze
Organe aus dem Labor, Stoffe, welche die Selbstheilung stimulieren, der Einsatz von Stammzellen – die Regenerative Medizin bringt neue Therapieansätze. Die Ideen aus der Forschung schneller in die Präklinik umzusetzen, ist das Ziel des „Translationszentrums für Regenerative Medizin, TRM“ in Leipzig, dessen Direktor Professor Frank Emmrich vom IZI ist. Schwerpunkte des TRM sind Tissue Engineering und Materialwissenschaften, Zelltherapien für Reparatur und Ersatz, Regulatorische Moleküle und Delivery-Systeme sowie Bildgebende Verfahren, Modellierung und Überwachung von Regeneration.
„Das Feld der regenerativen Medizin hat in den vergangenen Jahren sehr große Fortschritte gemacht“, sagt Prof. Emmrich. „Dessen ungeachtet liegt noch viel Arbeit vor den Wissenschaftlern, Unternehmen und regulatorischen Behörden, um dieses neue Wissen sicher und zuverlässig zum Patienten zu bringen.“
Birgit Niesing / Fraunhofer-Magazin weiter.vorn
Stand: 27.01.2011