Die Inde, ein kleiner Fluss im Rheinland, schlängelt sich mäandrierend durch ihr Bett. Flache Uferzonen wechseln sich mit Steilufern ab, das Wasser umspült kleine Sandbänke und die Aue wird regelmäßig überflutet. Schwarzerlen säumen das Bachbett und sanft steigt das Ufer zu ausgedehnten Wildwiesen an.
Noch ist dieses Idyll keine Wirklichkeit, doch nach den Plänen der RWE-Rheinbraun soll die Inde auf zwölf Kilometern Länge dieses neue Gesicht erhalten.
Denn der Fluss muss in den nächsten Jahren dem Braunkohlentagebau weichen. Die Bagger werden das heutige Flussbett südlich von Jülich bis 2005 erreicht haben und zerstören. Bis dahin soll der Fluss umgeleitet sein und auf der rückwärtigen, bereits ausgekohlten und wieder verkippten Seite des Tagebaus ein neues Bett bekommen. Bei Jülich-Kirchberg wird sie dann wieder ihren heutigen Lauf erreichen.
Rein faktisch kein schlechter Tausch: Aus fünf Kilometern begradigtem Flussbett wird ein zwölf Kilometer langes, naturnahes Fließgewässer einschließlich einer 70 bis 300 Meter breiten Aue. Diese soll nicht nur der Tier- und Pflanzenwelt neuen Lebensraum bieten, sondern auch als Überschwemmungsfläche bei Hochwasser dienen. Rund 400.000 Bäume und Sträucher werden gepflanzt und ein künstliches Relief geschaffen. Nach diesen Vorarbeiten hofft man, dass die Natur ihren Teil dazu beiträgt, aus der künstlichen Landschaft ein naturnahes Ökotop entstehen zu lassen.
An anderer Stelle, bei Eschweiler-Dürwiß, hat RWE-Rheinbraun im ehemaligen Tagebau Zukunft-West ein etwa 180 Hektar großes Naherholungsgebiet angelegt. Der Blausteinsee, ein künstlicher „Baggersee“, bietet bereits jetzt Wassersportlern ein neues Revier. Die Sophienhöhe nahe Garzweiler ist hingegen für Wanderer und Mountainbiker konzipiert worden. Auf der ehemaligen Abraumhalde entstanden über 70 Kilometer Wege, junge Waldflächen und einige Feuchtgebiete. Bei gutem Wetter hat man von der 200 Meter hohen Plateauspitze eine beeindruckende Fernsicht über die niederrheinische Tiefebene– aber auch auf die Mondlandschaft des benachbarten Tagebaus. Bislang wurden auf diese Weise über 190 Quadratkilometer oder zwei Drittel der zerstörten Landschaften wieder hergestellt
Doch trotz aller Bemühungen bleiben Rekultivierungen umstritten: Umweltschützer bezweifeln, dass sich aus den künstlichen Feuchtgebieten wieder lebensfähige Naturkreisläufe entwickeln können. Die entstehenden Restseen „versauern“ durch die Unmengen basischen Abraums im Umfeld und bleiben über Jahrzehnte biologisch tot. Tiere werden aus ihrem Lebensraum verdrängt und siedeln sich möglicherweise nicht wieder an. Die Bodenfruchtbarkeit, Ergebnis eines jahrhundertelangen Prozesses, ist beeinträchtigt. Nach Angaben des BUND werden die bis zu zwanzig Meter mächtigen, fruchtbaren Lössschichten der Börde in nur zwei Meter Dicke wieder aufgetragen. Daher sähen die Naturschutzverbände lieber die bisherigen Zustände erhalten, als künstliche Biotope zu schaffen.
Stand: 28.01.2004