Während sich der Mond langsam vor die Sonne schiebt, beobachtet ein britisches Forscherteam gebannt den Himmel. Die Sonnenfinsternis am 29. Mai 1919 in Westafrika steht kurz vor der totalen Eklipse. Den Forschern geht es nicht nur um das beeindruckende Naturschauspiel. Sie versuchen, Einsteins Relativitätstheorie zu beweisen.
Bereits vier Jahre zuvor hatte Albert Einstein vorausgesagt, dass die Masse der Sonne die Bahn des vorbeilaufenden Lichtes krümmt. Gelangt also das Licht eines weiter entfernten Sternes in die Nähe der Sonne, sollte es theoretisch von dieser abgelenkt werden. Ein experimenteller Nachweis dieses Phänomens wäre somit die Bestätigung für die Richtigkeit von Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie gewesen. Doch zu der Zeit war die Menschheit eher mit dem ersten Weltkrieg als mit physikalischen Problemen beschäftigt.
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Nach dem Krieg mussten die Forscher dann erst auf die nächste Sonnenfinsternis warten. Denn unter normalen Bedingungen ist das Licht der Sonne viel zu hell, als dass die Ablenkung von Lichtstrahlen in unmittelbarer Nähe beobachtet werden könnte. Die während der Eklipse belichteten Fotoplatten schienen Einsteins Hypothese tatsächlich zu bestätigen. Die Theorie eines Deutschen wurde also durch britische Wissenschaftler bewiesen – ein symbolträchtiges Ereignis, so kurz nach dem Krieg. Erst bei späteren Überprüfungen zeigte sich, dass die Messfehler bei diesem Experiment ebenso groß waren, wie die gezeigte Ablenkung. Inzwischen konnte Einsteins Theorie jedoch exakt bestätigt werden.
1919 aber galt die Relativitätstheorie allgemein als bewiesen und Einstein wurde gefeiert wie ein Popstar. Die Zeitungen überschlugen sich förmlich vor Begeisterung. In der „New York Times“ prangte die Schlagzeile: „Lichter am Himmel alle schief – Einsteins Theorie triumphiert“. „Revolution in der Wissenschaft – Einstein gegen Newton“ jubelte die „Times“ und stellte die Relativitätstheorie ihren Lesern als „eine der bedeutendsten, wenn nicht die bedeutendste, Aussage menschlicher Gedanken“ vor.
Auch in Deutschland begann man nun, den hauseigenen Wissenschaftler als Star zu sehen. „Eine neue Größe der Weltgeschichte“ steht am 14. Dezember unter dem Titelfoto der „Berliner Illustrierte Zeitung“, das Einstein mit nachdenklichem Blick zeigt. So positiv sollte die öffentliche Meinung in Deutschland dem jüdischen Physiker gegenüber nicht mehr lange bleiben.
„Relativitätsrummel“ nannte Einstein selber die ganze Aufregung um seine Theorie, die ohnehin vom Großteil der begeisterten Bevölkerung nicht verstanden wurde. Bald nutzte er seine Popularität, um sich politisch zu engagieren. Dass seine Worte großes Gewicht hatten, zeigt die Tatsache, dass auf einen Brief Einsteins an den amerikanischen Präsidenten Roosevelt hin die USA mit dem Bau einer Atombombe starteten.
Stand: 22.03.2001