Psychedelika gelten in Deutschland als illegale Betäubungsmittel: Ihr Besitz und Erwerb ist nur für wissenschaftliche Zwecke und nur mit einer Sondererlaubnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erlaubt. Doch das könnte sich in Zukunft ändern: Nachdem die nähere Erforschung der psychedelischen Substanzen in den 1970er-Jahren stark eingeschränkt wurde, lebt sie heute wieder auf.
Hilfe durch Psychedelika
Einer der möglichen Anwendungsbereiche für Psychedelika wie LSD ist die Therapie von Angsterkrankungen. Hinweise auf eine angstlösende Wirkung haben unter anderem Forscher um Felix Müller und Claudia Lenz von der Universität Basel festgestellt. Dazu führten die Wissenschaftler mit 20 gesunden Testpersonen ein Experiment durch, bei der diese unter medizinischer Beobachtung 100 Mikrogramm LSD einnahmen. Dann zeigten die Forschenden ihnen Bilder von Gesichtern, die verschiedene Gefühle wie Wut, Freude oder Angst darstellten. Während die Probanden die Bilder betrachteten, wurde ihre Gehirnaktivität mittels funktioneller Magnetresonanz-Tomographie (fMRT) aufgezeichnet. Die Tests wurden zum Vergleich auch als Blindprobe ohne verabreichtes LSD durchgeführt.
Das Ergebnis: Die Einnahme von LSD verringerte das Angstempfinden. Wenn die Probanden unter LSD-Einfluss Bilder mit angsterfüllten Gesichtern sahen, verzeichnete das MRT eine niedrigere Hirnaktivität auf als im drogenfreien Zustand. Vor allem die Region der sogenannten Amygdala wurde von LSD offenbar in ihrer Aktivität gehemmt. Diesem Hirnareal schreiben Forscher eine zentrale Rolle bei der Verarbeitung von Emotionen zu.
Bei den anderen Gesichtsausdrücken wie Wut oder Glück zeigten sich hingegen keine verringerten Reaktionen in der Amygdala, so die Forscher. Dies lege nahe, dass LSD gezielt auf das Angstempfinden von Menschen wirkt – die Verarbeitung anderer Gefühle aber kaum beeinträchtigt. „Diese ‚entängstigende‘ Wirkung könnte ein wichtiger Faktor für positive therapeutische Effekte darstellen“, erklärt Müller.
Zukunftsmittel gegen Depression?
Erste positive Therapie-Effekte von Psychedelika bei anderen psychischen Erkrankungen wurden auch schon nachgewiesen: Unter anderem haben Forschenden um Robin Carhart-Harris vom Imperial College in London in einer kleinen Studie festgestellt, dass Mikrodosierungen von Psilocybin gegen psychische Erkrankungen wie Depressionen wirksam sein können. Die zwölf Studienteilnehmenden litten unter Depressionen und erhielten zunächst zehn Milligramm Psilocybin und nach sieben Tagen dann 25 Milligramm Psilocybin. Im Anschluss daran gaben sie an, dass sich die Symptome ihrer Erkrankungen stark gemildert hatten – auch noch nach drei Monaten.
Auch eine großangelegte, internationale Studie aus dem Jahr 2021 von einem Forscherteam um Joseph Rootman von der University of British Columbia in Kanada führte zu ähnlichen Ergebnissen: Für die Untersuchung füllten über 4.000 Menschen, die zum Zeitraum der Studie Mikrodosen Psychedelika nahmen und fast 5.000 Probanden ohne oder nur mit vergangenen Erfahrungen mit psychedelischen Substanzen, eine Online-Umfrage bezüglich ihrer psychischen Gesundheit aus.
Das Ergebnis: Die Mikrodosierer von Psilocybin und LSD gaben an, ein geringeres Maß an Depressionen, Ängsten und Stress zu haben als die Kontrollpersonen. Der Unterschied war besonders groß, bei denjenigen Teilnehmenden, die angaben, psychische Probleme zu haben. Allgemein fiel auf, dass sich die Probanden, die psychedelische Substanzen nahmen, nach eigener Einschätzung psychisch besser fühlten.
Vor allem psychische Krankheiten
Die Einnahme von LSD kann vermutlich auch gegen soziale Phobie oder Autismus helfen, wie ein Forscherteam um Danilo De Gregorio von der McGill University in Kanada herausgefunden hat. Ihre Versuche mit Mäusen legten nahe, dass LSD die soziale Interaktion und Empathie steigern könnte. Ähnliches gilt auch für MDMA: Bei Patienten, die Schwierigkeiten mit sozialen Interaktionen haben, könnte der Wirkstoff positive Effekte haben. Helfen könnte die Droge auch Menschen mit einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), bei der ein Traumata immer wieder in den Gedanken durchlebt wird.
Letzteres haben Forscher um Michael Mithoefer von der Medical University of South Carolina bereits untersucht: In ihrer Studie gaben sie über 25 traumatisierten US-Soldaten insgesamt zweimal eine Dosis von 30, 75 oder 125 Milligramm MDMA und behandelten die Teilnehmenden zudem mit einer Psychotherapie. Nach zwölf Monaten befragte das Forscherteam die Probanden nach ihrem Wohlbefinden. Das Ergebnis: Die Gruppen, die 75 oder 125 Milligramm MDMA während der Therapie genommen hatten, wiesen eine signifikant stärkere Verringerung der PTBS-Symptome auf als die 30-Milligramm-Gruppe.
Auch bei anderen psychischen Erkrankungen wie zum Beispiel bei Zwangsstörungen oder Sucht nach anderen Drogen gelten LSD, Psilocybin und Co. als mögliche Mittel für eine Therapie. Besonders vielversprechend gilt LSD beim Einsatz gegen Alkoholsucht, wie eine Auswertung sechs klinischer Studien mit insgesamt über 500 Probanden von Pål-Ørjan Johansen und Teri Krebs von der Norwegischen Universität für Wissenschaft und Technik (NTNU) in Trondheim ergeben hat. Es zeigte sich, dass durchschnittlich 59 Prozent der mit LSD behandelten Patienten hinterher trocken blieben.
Bandbreite an Möglichkeiten
Die medizinische Wirksamkeit der Psychedelika geht womöglich auch über die Behandlung von psychischen Krankheiten hinaus. Beispielsweise soll LSD auch bei Cluster-Kopfschmerzen helfen, bei denen mehrfach täglich kurzzeitig heftige Kopfschmerzen auftreten. MDMA könnte hingegen auch bei Tinnitus wirksam sein. Und zudem gelten Psychedelika als hilfreich zur Sterbebegleitung schwer erkrankter Patienten.
Doch trotz ihrer möglichen medizinischen Vorteile, bergen Psychedelika auch nicht zu unterschätzende Risiken…